Donnerstag, 28. Oktober 2010

Königlich

Herr France hielt Wort mit seinen 24 Stunden, konnte jedoch leider nicht selbst kommen und übergab uns in die Obhut seiner erlauchten Tochter, der Koninklijke Luchtvaart Maatschappij (KLM „Königliche Luftfahrtgesellschaft“ des WM-Zweiten). Die wartete dann auch artig in Sao Paulo in Gestalt einer Boeing 777 auf uns. Herr France hatte sich ja beim Hinflug nach Rio in einem Jumbo-Jet materialisiert, was angenehm war, da wir wie im BVG-Bus oben sitzen durften (Upper Deck sagt man). Da hatten wir schön Platz.

In Sao Paulo hieß es dann auch Abschied nehmen von unserer Hausmarke TAM (Táxi Aéreo Marília), der größten brasilianischen Airline, die uns gut und sicher durch die tropischen Lüfte beförderte. (Nach 10.000 km konnten wir schon die Werbespots mitsingen und die verabreichten Snacks im voraus anhand des Flugzeugtyps erraten ...)

Gute zwei Stunden Aufenthalt in Sao Paulo lassen Zeit für ausgedehnte Spaziergänge durch den Duty Free Shop. Dachten wir jedenfalls und hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der erschien in Person der eingeborenen Zöllner und Luftsicherheitsbevollmächtigten. Da waren sie wieder, die gefühlten tausend Mitbewerber auf einen Sitzplatz in der großen Stahlröhre, ordnungsgemäß angetreten in Reihe zu einem oder zwei Gliedern hintereinander. Wir nahmen Haltung an und stellten uns hinten an. Warten. Meter für Meter vorrücken, der rettenden Tür entgegen. Doch dann, als diese schon zum Greifen nah schien, kam Maria Mendoza. Nein! Sie erschien, wie einst der Rache-Engel - stand einfach da, massiv und wuchtig wie der Fels in der Brandung. Höchstselbst und in Uniform überwachte Maria Mendoza ihre Tür, bewaffnet mit einem Handscanner und ausgestattet mit der Lizenz zum Öffnen des Absperrbands. Und es kam wie es kommen musste: Commandante Mendoza ließ uns wegtreten. "You need a stamp." Wat??? 'Ne Briefmarke??? "Yes, you need a stamp. - Hurry!" --- Band auf - raus aus der Schlange - kurzer Prozess - fertig! Da standen wir wieder. Einsam und verlassen. Grinsende Gesichter in der Schlange, Mister Bean läßt grüßen, schadenfroh das Ticket schwenkend. Wir brauchten eine Briefmarke. Stecknadel im Heuhaufen. Ziellos umherirrend strandeten wir am KLM-Schalter. "Na klar, Sie brauchen 'ne Marke!", sagte die Dame - Alles klar. Logisch. Marke eben. Wir bekamen sogar komplett neue Billets, mit Marke hinten drauf. Und die war Gold wert. Das erkannte auch Maria und ließ uns gnädiger Weise vor und auch passieren, mit einem Nicken, das soviel hieß wie "Na geht doch!". Noch eine Stunde - geschafft. Dachten wir vor der Tür. Denkste! War ja auch klar. Irgendwo mussten die Menschenmassen aus der Schlange ja hin, und zwar in die Schlange hinter der Tür: Sicherheitskontrolle, gleiches Spiel: warten! In der Ferne leuchtet der Duty Free ...

Aber irgendwann war auch das geschafft. Allerdings mussten wir hier wieder unser Wasser abgeben - ach ja, stimmt ja: Wir verlassen ja jetzt die weite Welt und kehren zurück in die Geborgenheit der EU, wo endlich wieder alles seine Ordnung hat. Die Schlamperei mit dem Trinkwasser in Flugzeugen hört jetzt auf: 100 ml Flasche im Zip-Beutel sind erlaubt - das hat uns gefehlt. Pulle in die Tonne - fertig. Halbe Stunde noch - jetzt Duty Free. --- Mooooment. Nächste Tür! Passkontrolle! Na eben, da war doch noch was. Und wie in jedem Land, so sind auch hier die Kontrolleure die ohne Zweifel wichtigsten Amtspersonen des gesamten Flugplatzes, ach was, des ganzen Landes. Und sie machen ihre Arbeit richtig gut und gewissenhaft. Und wehe, Du hast Dein Zollformular von der Einreise verbummelt, dann bist Du aber sofort wieder am Ende der ersten Schlange - bup bup - zackzack. Kein Erbarmen. Kein Entrinnen.

Aber die hatten wir ja - puh. Glück gehabt! Viertel Stunde noch. Nun aber hurry hurry und schnell den Shop plündern. Eine Kasse hat auf. Immerhin. Wir schafften es trotzdem, als letzte in das Fluggerät einzusteigen, mit Rennen zwar, aber immerhin. Sitzplatz gut, Essen gut, Captain kompetent, Unterhaltungsprogramm gut - Ihre Durchlaucht KLM zeigte sich von der besten Seite. 11 Stunden bis Amsterdam. Schiphol heißt der Landeplatz dort, man sagt wohl Skifool (gut, dass man es nicht so schreibt). Wieder über zwei Stunden Zeit, wieder keine Zeit, weil: Es muss der flächenmäßig größte Flugzeugbahnhof der Welt sein. Junge, wat sind wir gelaufen. Eine Stunde Flug bis Berlin mit ihrer Majestät wertvollstem Stück, einer Focker 100 (die Zahl muss sich irgendwie auf's Alter beziehen). Jetzt bin ich also fast einmal um den Erdball gedüst, um jetzt, kurz vorm Ziel in dieser alten Kiste ...

Nein. Soweit kam's bekannter Weise nicht. Auch die letzte Passage war angenehm und entspannt. Und nach geschlagenen 24 Stunden hörten wir endlich wieder das vertraut liebliche Tröten der Gepäckbandsirene in Tegel, das es so nirgendwo auf der Welt gibt. Wir waren wieder zu Hause. Vorbei die beklemmende Weiträumigkeit und abstoßende Großzügigkeit anderer Landeplätze. Hier in der gemütlichen Enge, der provinziellen Schlichtheit fühlen wir uns wohl, hier kennen wir uns aus. Keine Maria Mendoza, keine langen Wege, keine Briefmarken, dafür anheimelndes lebhaftes Gedränge, die einzigartige Vielschichtigkeit der wohligen Gerüche um einen herum und keine nervenden Durchsagen oder Anzeigen, für welchen Flug das Gepäck gerade kommt. Auch das hat uns gefehlt. Hoffentlich bleibt uns dieser Flughafen ('n bisschen übertrieben) noch lange erhalten. Man verfällt hier auch nicht in Streitereien ob der Art der Passage nach Hause. Lediglich ein kurzer Wortwechsel über den Unsinn, es mit dem Bus versuchen zu wollen treibt einen in die offenen Arme eines Taxi-Chauffeurs mit Migrationshintergrund. Die Konversation klappte gut. Kurze Nachfrage: Landesberger Allee? Bei Bahnoof? - Jau!  ---  buppbuppzackzack waren wir auch schon zu Hause.
Geschafft. Der Traum ist wahr geworden. Ich war in Rio. Nun konnte ich beruhigt 50 werden. Das tat ich dann auch und hatte einen wunderbaren Geburtstag.



Fortsetzung folgt ...
Bisdenn JM!

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Abschied

Und dann war er auch schon gekommen, der letzte Tag. Den verbrachten wir mit intensivem Chillen, ausgedehntem Turtle-Watching und einer Shopping-Tour durch das Dorf Praia do Forte, das auf Grund des verordneten Ökotourismus ein wenig künstlich wirkt. Es liegt mitten in einem kleinen Naturschutzgebiet und darf deshalb nicht ausgebaut werden. Trotzdem sind wenige Touristen erlaubt und die erleben eine bizarre Mischung aus lateinamerikanischer Lebensart und  Shoppingmeile. Der Ort ist exclusiv und ebenso seine Preise.
Wir aßen wieder beim Brasilianer um die Ecke, einer Churasqueria, wo uns ein gemischter Grillteller mit Batate-Pürree, Bohnen und Reis von Britney Spears kredenzt wurde. Alles war lecker, das fanden auch die streunenden Hunde, die sich um unsere Beine schmiegten und von uns gut versorgt wurden. Britney, die Kellnerin. war nett, konnte aber kein Englisch wie die meisten Brasilianer, die wir kennengelernt haben. Da bedarf es schon hartnäckiger Überredungskunst, um wenigstens die englische Speisekarte zu bekommen. Aber der Chef glaubte fest daran, englisch zu können und unterstrich das mit einer demonstrativen Küchenführung. Verstanden hab ich ihn nicht aber wir wußten nun, was auf unseren Tellern landet.

So verlief der letzte Abend planmäßig und gipfelte im Heimweg durch den Zaun (ich musste natürlich wieder drüber) und in den letzten Caipirinhas auf dem Balkon. Wir ließen alles noch einmal Revue passieren, lauschten dem Meer und freuten uns schon auf die Heimreise, von der wir wussten, dass sie 24 Stunden dauern sollte.
Letzter Morgen, letztes Frühstück und der Versuch, sich die letzten Bilder einzuprägen. Ein letzter Blick vorbei an der Palme (heute wieder mit Äffchen, das aus dem eigens dazu aufgehängten Napf futtert) aufs Meer, in dem die Schidkröten weiter ihre Bahn ziehen werden, auch ohne uns. Abschied vom Atlantik, von Bahia, von Praia do Forte.
Adeus Bahia, Até à próxima Brasil





Fortsetzung folgt ...
Bisdenn JM!

Schaukel-Oma

Was bleibt, sind die Erinnerungen und die Mitbringsel. Zu allererst natürlich der Sand, der wie immer in einer authentischen Plastewasserflasche außer Landes geschmuggelt wurde. Die Wurzeln dieses Importwesens liegen lange zurück. Damals war's, in Thailand, glaube ich: Plötzlich und unerwartet erinnerte ich mich, faul am Strand rumliegend an Schaukel-Oma, die sich ihren Namen mittels einer Schaukel im Garten erkämpft hatte. Obwohl sie nicht meine Oma war, war sie immer vollkommen aus dem Häuschen, wenn sie mich sah und voller Andacht über die magisch anmutende, fast mystische Erde aus Canada redete, die sie zu tiefsten DDR-Zeiten auf recht abenteuerliche Weise an Land gezogen hatte.
Und Gott sandte mir ein Zeichen an diesem einsamen Strand in fernost. Es lag direkt neben mir - eine leere Wasserflasche aus Plaste, natürlich eine echte und sogar noch zue aus Thailand. Diese, unachtsam von wer weiß wem weggeworfene  Flasche machte den Anfang einer Leidenschaft. Diesmal wurden mir zwei Flaschen von meiner gestrengen Gepäckobfrau zugestanden - ich entschied mich für Copacabana- und Ipanema-Sand. Sie erhielten ihren Ehrenplatz in meinem Kabuff (!) zwischen Kapstadt und Thailand, direkt neben Cuba. Die mir auferlegte Ausfuhrbeschränkung entspringt zum einen der Gewichtsobergrenze von Eier-Franke und zum anderen der Tatsache, dass wir schöne, neue und grooooße Koffer haben, die ja bei der Einreise schon gnadenlos übertaktet waren. "Was soll das erst bei der Ausreise werden, und dann noch mit dem ganzen Sand ...?" In diesem Fall erwies sich wieder dieses Internet als hilfreich. Da war doch tatsächlich zu lesen, dass bei Flügen aus Brasilien 32 kg erlaubt sind - neun mehr als beim Hinflug. Keine Ahnung warum - wahrscheinlich ist es für Touristen Pflicht, Sand mitzunehmen. Ich jedenfalls habe erst am letzten Abend Wind von dieser Sache bekommen, und .... laut geflucht. Es war zum Haare raufen. Hätt' ich das gewusst, hätt' ich ein schönes SixPack zusammen stellen können mit Schlamm vom Amazonas, Wasser von den Wasserfällen, argentinischem Asphalt und Sand aus Salvador. So hatte ich ganz schön zu tun, die 32 kg voll zu kriegen. Es gelang mir mit einem repräsentativen Portfolio des einheimischen Biers und natürlich Saft, natürlich Acai, gemischt mit Guarrana, was sonst. Den Rest bildete der übliche Schnickschnack, der den Koffer ausbeult. Darunter ein Satz Karnevalspfeifen und Peteca-Spiele für die Kleinen zu Haus. Das ist so eine Art Federball ohne Schläger, ein traditionelles brasilianisches Spiel. Und natürlich Kaffee, versteht sich.



Fortsetzung folgt ...
Bisdenn JM!

Epilog

Mein letzter Eintrag ins Logbuch über die Mythen Brasiliens stammt noch aus der Hängematte im warmen Praia do Forte.

Bahia, Brasilien. Ich höre noch dein Meer rauschen, schmecke noch deine salzige Luft und sehne mich nach der wohligen Wärme deines Frühlings ...

Nun hat er doch geklingelt, der Wecker. Der Traum ist vorbei - 10.000 km liegen zwischen uns. Zwischen mir und meinem Traum, zwischen uns und Washington mit seinem Vogel und der schönen Claudia mit ihren schönen Geschichten über ein unglaubliches Land. Unvergessen bleiben auch Tommy Lee Jones, der lustige Straßenverkäufer in Rio, der mal eben in "seine Favela" rannte, um DAS Geschenk zu holen oder die unbekannte junge Kassiererin mit den glänzenden Augen im Supermercado, die vor Aufregung mehrere Fehler auf einmal machte (vermutlich war ich der Grund), aber auch das kleine Mädchen in Ipanema, das Ärger mit ihrer faulenzenden Familie bekam, weil wir ihr keine Kaugummis abgekauft hatten. Und dann waren da noch der beneidenswerte Tilmann, der friert, wenn es in Salvador im Winter mal unter 20° geht oder Don Pedro aus Iguacu, der Argentienier am liebsten mag, wenn sie 1000 km weg sind und natürlich Rotze, die Pfeife, der sich breit grinsend vor jeder Sehenswürdigkeit fotografieren ließ, selbst vorm Klo der Indios (Den Rest der Zeit betrieb er intensive Nasenpflege.) oder die liebenswerte Kellnerin in Praia do Forte mit ihrem ebenso liebenswerten Freund, die immer ein ungespieltes Lächeln auf den Lippen hatten, auch wenn sie mich, wie meistens überhaupt nicht verstanden hatten. Und beinahe hätte ich Klara, die argentinische Dschungelführerin vergessen oder die perfekt und akzentfrei deutsch sprechende Verkäuferin in Argentinien, die mir den Mate-Tee samt Kürbistasse und Trinkrohr-Löffel-Kombination aufschwatzte. Die Liste ließ sich noch lange fortsetzen mit unzähligen netten Menschen, die sich allesamt als überaus freundliche, hilfsbereite und liebenswürdige Zeitgenossen präsentierten und uns einen kleinen Teil eines riesigen Kontinents näher brachten.
Brasilien: Ein traumhaftes Land in einer anderen Welt.







Fortsetzung folgt ...
Bisdenn JM!

Stay tuned

Stay tuned - bleiben Sie auf Empfang. Der Epilog ist in Arbeit, der eigentlich gar nicht geplant war. Aber die ungeahnte, überraschend große und wohlwollende Resonanz zwingt mich quasi, noch einen nachzulegen. Nee! Es freut mich wirklich zu hören, dass viele diesem Blog so intensiv gefolgt sind. Ein paar Episoden sind noch offen und harren ihrer Niederschrift. Bleibt also neugierig, so ihr wollt - bald schon gibt es einen Nachschlag.

Bisdenn JM!

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Mythos und Wahrheit

Mythos: In Brasilien scheint immer die Sonne. Das dachten wir bis heute auch. Es regnet. Kurz aber heftig. Es lockert schon wieder auf. Zeit also, mal mit einigen Mythen und Gerüchten aufzuräumen und Rätsel aufzulösen.


Mythos 'Malaria'

Alles Quatsch. Zumindest in den Regionen, wo wir uns bewegten. Selbst am Amazonas werden die Malariamücken als exotische Tiere angesehen. Die haben da einfach schlechte Karten wegen des für sie ungünstigen, weil sauren Wassers. (Die Eier sterben einfach ab.) Wir haben trotzdem artig unsere Tabletten geschluckt. Ähnliches gilt für Gelbfieber. Die Impfung hat zumindest nicht geschadet - und was man hat, das hat man eben.


Mythos 'Der europäische Magen dreht sich ständig um.'

Auch Blödsinn. Anfangs haben wir die Getränke noch ohne Eis bestellt. Aber nicht lange - Caipirinha ohne Eis geht nun mal nicht. Weder das Essen noch die Getränke von der Straße konnten uns was anhaben. Das riesige Medipack haben wir umsonst mitgeschleppt - nicht eine Pille war von Nöten.

Ach ja: Die Brasilianer mögen es gerne kalt. Ob Klimaanlage oder Bier. Es muss richtig kalt sein, so kalt, dass aus der Bierbüchse schon mal nichts rauskommt ...


Mythos 'exakte Körperwaage made in Germany'

Die freundliche französische Fluggesellschaft, deren Name von nicht französisch sprechenden Mitbürgern gern als 'Eier Franke' ausgesprochen wird, befördert neben Passagieren auch deren Gepäckstücke. Das ist soweit ganz praktisch, genau wie das Gewicht pro Koffer, das bei max. 23 kg liegt. Dank Internet wussten wir das vorher und wogen unsere Koffer zu Hause mit einer Körperwaage made in Germany. Die zeigte jeweils 21 kg an. Na wunderbar - dann passen ja doch noch diese Schuhe rein. Klar, Schatz! Die Ernüchterung kam natürlich am Schalter auf dem Flugplatz. 25 kg zeigte die blöde Waage an, woraufhin der Schaltermann grinste und 100 € verlangte. Kommt gar nicht in Frage. Koffer auf, schweres Zeug ins Handgepäck, Koffer zu. 23,3 kg! Grinsen! Er ließ uns mitleidvoll passieren. Stolz wie Bolle über das Schnippchen, was wir Herrn France schlagen konnten, gingen wir zur Sicherheitskontrolle. Da dämmerte es uns schon und die flache Hand landete auf der hohen Stirn. Nein! Das haben wir wirklich gut hingekriegt. In meinem Rucksack schlummerten unzählige Fläschchen mit Sonnencreme, Shampoo, Duschbad, Nagellack nebst passendem Entferner und so weiter. Sämtliche Warnlampen gingen an, inklusive meiner eigenen, hektisches Treiben setze ein und zwei gut gekleidete Herren nahmen uns freundlich aber bestimmt beiseite. Da war mein Rucksack wieder leicht und die Herren boten an, den vermeintlichen Sprengstoff in der Gepäckaufbewahrung für 5 € pro Tag zu bewachen. Da taten sie mir dann doch leid. Werdet glücklich damit. Grinsen ...
Wenigstens konnten wir als Kompromiss den Nagellackentferner mitnehmen. Den haben dann auch nicht einmal benutzt.
Nun haben wir brasilianischen Sonnenschutz und der ist auch viel besser.


Mythos 'Rio ist gefährlich'

Der stimmt. Aber nur soweit, wie er für andere Großstädte eben auch stimmt. Es gibt Gegenden, in die man sich als Tourist nicht begeben sollte. Wenn man jedoch die normalen Verhaltensregeln und die speziellen Hinweise der Reiseleiterin einhält, kommt man ungeschoren davon. Die vielen Schauergeschichten, wonach Touristen bis auf die Schlüpper ausgeraubt und misshandelt ihr Hotel erreichten, können wir nicht bestätigen.


Mythos 'Adapter passt'

Als moderner Tourie hat man es schon nicht leicht. Das ganze technische Equipement, was den Urlaub zu dem macht, was er ist, soll ja schließlich funktionieren. Das Problem ist der Strom. Der fließt hier zwar beständig, aber nicht überall gleich, dafür aber aus vielen verschiedenen Steckdosen und schon gar nicht so wie bei uns. In der Regel wird man verwirrt mit drei verschiedenen Stromzapfquellen auf dem Zimmer. Meist steht noch dran, wieviel Volt man uns gibt. Das variiert ständig zwischen 110, 127, 114 und selten mal 220. Ein kurzer Blick auf das Netztteil läßt den Fotografen erleichtert ausatmen. 110 Volt geht. Jetzt kommt der Adapter ins Spiel. Wir haben zwei dabei, wo Brasilien drauf steht: Der eine passt in eine der drei verschieden geformten Steckdosen, aber mein Stecker passt nicht in den Adapter. Schimpfwort !!! In den anderen Adapter von Senór P. passt mein Stecker wunderbar und das Gesamtkunstwerk würde auch elegant in eine Dose gleiten, wäre da nicht dieser blöde Schniepel, der vollkommen sinnlos vorne rausguckt. Schimpfwort mit Nachdruck !!!! Dann eben mit Gewalt. Kraftvoll den Stecker in Adapter rammen und diesen behutsam in Dose beppen - Lampe geht an. Jubel !!! Lampe geht wieder aus, weil hält nicht. Schimpfwort mit "verdammte" hinten dran. Irgendwann arrangiert man sich mit den Widrigkeiten, kriegt die Akkus aufgeladen und hört dann den magischen Satz: "Geht eigentlich der Fön?" --- Puh! Da musst du erstmal kräftig durchatmen, bevor du antwortest. Gefönt wurde selten in Brasilien. Aber der Adapterfabrikant kann sich schon mal warm anziehen ...


Mythos 'Südhalbkugel'

Speziell für Herrn M. aus B. sind wir dieser Frage intensiv nachgegangen. Ist hier wirklich alles andersrum??? Sowohl als auch.

Beginnen wir mit dem Mond. Der ist wirklich falsch rum. Bei Halbmond ist die abbe Seite unten. Zumindest hier an der Küste. Am Amazonas war komischer Weise die abbe Seite oben und der Berg unten. Die Sterne sehen hier auch anders aus. Wir sind leider nicht dahinter gekommen, woran das liegt.

Richtig spannend wird's aber im Bad. Tatsächlich dreht sich das ablaufende Wasser im Washbecken andersrum. Das ist ein Phänomen. Anders im Klo. Zunächst wird man überall freundlich darauf hingewiesen, das Papier nach der Kontamination nicht einfach fallen zu lassen. Dafür gibt es schließlich den Eimer. Aha. Nach einigem Üben kriegt man das feinmotorisch aber ganz gut hin. Das weitere Schicksal des Papiers blieb uns jedoch verborgen. Sicherlich wird es recycled.

Des Rätsels Lösung, wie herum sich das Wasser der Klospülung dreht, ist einfach: es dreht sich gar nicht. Zunächst wird der Beckeninhalt abgesaugt, dann schießt aus einem Spülkasten Wasser nach. Da dreht sich nichts. Rätsel gelöst.


Mythos 'Kokosnuss'

Die Palmen mit den großen grünen Nüssen stehen hier zu tausenden rum, sind aber keine einheimischen Pflanzen. Sie stammen ursprünglich aus Afrika und wurden im Zuge der Kolonisierung eingeschleppt. Jetzt kann man die Nuss aber überall kaufen, um den leicht süßlichen Saft zu schlürfen. Etwa ein halber Liter dieser milchigen Flüssigkeit schwabbert in einer Frucht. Um da ran zu kommen, dreht man einfach den Schraubdeckel ab und steckt einen Strohhalm rein. Dieser, sich hartnäckig haltende Mythos stimmt natürlich nicht. Der gemeine Nusshändler benötigt 20 Sekunden zum Öffnen. Als erstes wird mit einer Machete der runde Boden abgeschlagen - das Ding soll ja stehen und beim Trinken nicht wegrollen. Danach hält er die Nuss in einer Hand, während die ander die Machete führt. Drei kräftige Hiebe, wobei die Nuss zwischen den Hieben exakt um 33,3° weitergedreht wird, ergeben eine gezackte Öffnung. (unsereins hätte sich schon die Finger abgehackt...) Strohhalm rein - fertig. Wenn gewünscht, wird die Nuss nach dem Trunk noch geteilt, um das weiße Fruchtfleich auszukratzen (Schmeckt nicht doll) oder als Aschenbecher zu fungieren.


Mythos 'Nur Schönheiten an der Copacabana'

Also, lieber Marten: Gut, dass wir unseren Sand mitgenommen haben, denn hier überwiegen die Klumpen. Natürlich gibt es die legendären kaffeebraunen, langstieligen, schlanken Schönheiten. Die muss man aber suchen. Vermutlich waren die meisten gerade bei der Karnevalsprobe und wurden nicht rausgelassen. Die gemeine Carioca-Dame präsentiert stolz ihre Leggings und das üppige Darunter. Und natürlich das Darüber, also das Üppige oberhalb der Gürtellinie. Fehlendes Selbstbewusstsein ist nicht zu spüren. Was man hat, kann man zeigen. Also doch lieber Sand mit in die Wüste nehmen ...


Mythos 'Karneval'

Die haben uns vielleicht schön verarscht bis jetzt. Wenn wir im Fernsehen Bilder vom Karneval in Rio sehen, denken wir, die ganze Stadt bebt und tanzt. Weit gefehlt. Nur im schon erwähnten Sambódromo lassen die die Sau raus. Tickets dafür kosten bis zu 3000 $. Die Sambatruppen brauchen für die ca. 800 Meter 90 Minuten und tragen pro Person bis zu 30 kg Kostüm. Harte Arbeit. Und sie trainieren das ganze Jahr nach dem Motto: Nach dem Karneval ist vor dem Karneval.


Mythos 'Brasilianische Küche'

Das ist wirklich nur ein Mythos, denn ein solche gibt es nicht. Trotzdem ist das Essen sehr lecker. Fisch, Fleisch, Gemüse, Obst - alles was das Herz bzw. der Magen begehrt ist möglich. Dazu natürlich etliche Exoten, wie 3 m langer Amazonasfisch oder die schon erwähnte Acai-Speise. Sie mögen es hier sowieso recht süß.

Ich hoffe, Euren Wissensdurst für's Erste gestillt zu haben. Weitere Fragen sind natürlich willkommen, können aber nicht sofort beantwortet werden, weil jetzt chillen angesagt ist.
Das eine oder andere fällt mir bestimmt noch ein - das wird dann nachgereicht.

Bisdenn JM

Straßenbahn in Rio

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Turtle-Beach

Endless summer. Die Expedition nimmt kein Ende. Wir sind schon eine Ewigkeit weg. So kommt es einem vor. Der Traum geht noch ein bischen weiter. Irgendwann muss der Wecker klingeln und mich aus diesem Traum reißen. Es ist einfach zu schön, um wahr zu sein: Du wachst morgens auf und blinzelst durch das Mosquitonetz und die offene Balkontür. Da liegt eine schöne Frau in der Hängematte vor dem türkisblauen Meer. Die Sonne scheint, es ist warm und die Palmen schwingen im Wind. Meeresrauschen überdeckt das leise Klappern des Frühstücksgeschirrs. Es duftet nach frischem Kaffee und süßen Früchten. Kleine Affen toben auf den Bäumen, bunte Vögel zwitschern. Es ist Urlaub. Und es ist jetzt. Genießen ...

Heute stand zur Abwechslung Strandwanderung mit Badeaufenthalt auf dem Plan. Wir entschieden uns, nach Norden zu wandern, es wurde aber nicht kälter. Nach etwa einem Kilometer hatten wir die letzten Reste der Zivilisation hinter uns gelassen und begegneten nur noch selten anderen Spaziergängern. Der Strand war menschenleer, abgesehen von uns. Ab und zu eine Krabbe und herumliegende Kokosnüsse, sonst nur Meer, Sand und Palmen. Plötzlich etwas schwarzes weit draußen, von dem wir glaubten, es sei einer der Wale, die um diese Zeit hier herumstromern. Der unverzüglich vorgeschaltete Digitalzoom verriet, dass es sich nur um ein Boot mit Tauchern handelte, die vermutlich nach dem Ausschau hielten, was wir gleich zu sehen bekamen: Schildkröten. Große Schildkröten, Riesen-Schildkröten. Etwa 20 m vom Ufer entfernt schauten drei von denen abwechselnd aus dem Wasser. Obwohl wir freundlich zurücklächelten, trauten sie sich nicht ans Ufer. Also bezogen wir auf einer umgekippten Palme Posten und betrieben intensives Turtle-Watching - kein Gedanke mehr an Wale-Watching. Faszinierend. Weit und breit kein Mensch. Nur wir und die Schildkröten. Das strengt natürlich auf Dauer an. Also zurück ins Hotel, vorher noch schnell gebadet und schon hatten wir die vorläufige Endposition unter unserer angestammten Kokospalme eingenommen.

"It's teatime, Sir!" flüsterte der Kellner kurz darauf. Jetzt ging dieser Stress wieder los: Mühsam aus der Liege drehen und vom Buffet Kaffee und Kuchen holen. Aber auch diese Hürde konnten wir nehmen. Wir hielten uns sowieso an eine strenge Tagesordnung, sonst droht man ja, total zu verloddern. Ab 4 Kaffee und Kuchen und andere Überrasschungen. Um 5 beginnt die Caipi-Zeit, gefolgt von einem kurzen aber intensiven Nickerchen. Und dann muss man ja schon wieder zum Abendessen aufbrechen. Und der herbe Rückschlag.

Die pfadfindenden Männer der vierköpfigen Reisegruppe wählten eine Abkürzung über eine brasilianische Baustelle. Das sich anschließende Tor, das nachmittags noch offen stand, war nun verschlossen. Kurz überlegt: Da komme ich durch. Das Holzgitter hatte eine recht breite Lücke. Doch die war leider nicht breit genug. Alle schlüpften geschwind hindurch, nur der Reiseleiter kam nicht weiter. Da steckte ich nun in einem brasilianischen Zaun, den Kuchen verfluchend und den mitgebrachten Sand schallend lachen hörend. Was soll's: schnell den offensichtlichen Nachteil in einen Vorteil umwandelnd, kletterte ich oben drüber. Nach dem Motto: durch kann ja jeder ...

Das Abendessen war wie immer gut und diesmal wieder mit Live-Musik und Hunden und lachenden Kindern. Was für eine Show - was für ein Tag.

Bisdenn JM!




Dienstag, 19. Oktober 2010

Afrika

Hollymaus wollte ja noch etwas über den Amazonas wissen. Also dann: Wir waren in Manaus, der Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas. Brasilien hat 26 Bundesstaaten. Das erklärt auch die Sterne auf der Fahne (26)
Der weiße Strich in der Mitte verkörpert den Äquator und der Spruch bedeutet 'Ordnung und Fortschritt'.
Allerdings liegt Manaus nicht am Aamazonas sondern am Rio Negro, der aus Kolumbien heranströmt. Erst 35 km weiter vereinigt sich dieser mit dem Solimoes, der aus Peru und Bolivien kommt, zum Amazonas. Beide Flüsse werden natürlich von den jeweiligen Bewohnern auch Amazonas genannt. Jedenfalls erreichen alle Flüsse die ich bisher gesehen habe nicht mal annähernd die Dimensionen dieser beiden hier. 8 bis 10 km breit sind beide und laut Wikipedia die weltgrößten Nebenflüsse überhaupt. Bei Manaus ist der Rio Negro (schwarzer Fluss) in der Mitte um die 40 m tief und hatte bei unserer Ankunft einen ca. 15 m tieferen Pegel als normal. Normaler Weise erreicht man unsere Lodge direkt mit eienm großen Boot - jetzt war das Wasser ca. 200 m von der Anlegestelle weg und hatte am dortigen provisorischen Steg nur noch 50 cm Tiefe. Angeblich berichten schon Reporter aus aller Welt von diesem Phänomen.
Wie dem auch sei, wir mussten vorgestern von dort wieder weg, genossen aber noch den Sonnenaufgang.



Dann noch ein entspanntes Frühstück - am Nebentisch aß Washington jr. ...


und dann noch schnell den Kaiman im See von unserer Terrasse aus füttern.


Wir verließen diesen traumhaften Ort dann auf dem umständlichen Umweg über Land. Die Koffer schleppten Gott sei Dank dafür ausgebildete Mitarbeiter des Facility Management der Lodge bei schwülheißen 35° den steilen Berg im Dschungel hoch.
Der Kleinbus hielt unerwartet an einer belebten Stelle am Fluß. Da war ein riesiger, nicht sehr einladender Markt. Unsere Reiseleiterin Lucia stieg plötzlich aus und verabschiedete sich mit den Worten: "Ihr fahrt jetzt weiter mit der Fähre." Ach so!


Es blieb uns ja noch der Fahrer, der zwar nur portugiesisch sprach aber von der Sicherheit unserer Passage fest überzeugt schien. Auch diesmal ging alles glatt. In Deutschland würde man dieses Schwimmfahrzeug vermutlich nur noch für Torpedoversuche bei Manövern einsetzen, aber wir sind ja hier in Südamerika und da werden kleinere Sicherheitsmängel eben nicht überbewertet. Die etwa 400 Passagiere wirkten sehr gelassen und hatten ihren Spaß an Bord - wir auch. Ach ja: Jedes Fahrzeug musste rückwärts auf das Schiff fahren - da kam Freude auf.
Wir erreichten unseren Flieger unbeschadet und landeten gegen halb zehn abends in Salvador de Bahia bei 25°C. Es empfing uns Tilmann, ein Bayer, der seit zehn Jahren hier lebt. Ab ins Hotel, kurz den Meerblick genießen und dann Abendbrot am Strand.
Gestern war Sonntag, herrliches Wetter und Triathlon in der Stadt, an dem wir nicht teilnehmen konnten, weil unserer vierköpfigen Reisegruppe von Tilmann die Stadt gezeigt wurde. Und die ist wieder vollkommen anders, als das, was wir bisher hatten. Salvador ist die drittgrößte Stadt Brasiliens, nach São Paulo und Rio de Janeiro. Sie hat rund 2,9 Millionen Einwohner, ist die Hauptstadt des nordöstlichen Bundesstaates Bahia und war bis 1763 Hauptstadt Brasiliens. Die Stadt lebt von den afrikanischen Einflüssen. Überall ist Musik, Samba und Rhytmus vielerorts. Dazu eine sehenswerte Altstadt mit engen Gassen und alten Häusern, vielen Kneipen und interessanten Geschichten, wie die der Franziskaner-Kirche. Diese Kirche des Bettlerordens ist innen prunkvoll mit sage und schreibe 800 kg Blattgold ausgeschmückt. Außerdem erfuhren wir, warum Brasilien Brasilien heißt. Der Name kommt von einem Baum, den es heute kaum noch gibt.
In den ersten dreißig Jahren der Kolonialzeit um 1500 war Brasilholz das einzige Produkt, das durch die Portugiesen genutzt wurde. Deshalb wurde die Kolonie Terra do Brasil genannt und lieferte so dem Land den heutigen Namen. Harz und Rinde des Baumes haben eine rötliche Färbung. Sie erinnert an die Glut (port. brasa) des Feuers. Daher wohl pau brasil (glühendes Holz) und später als Lehnwort Brasilholz ins Deutsche. Aus dem Baum pau brasil wurde der Name des Landes abgeleitet. Wieder was gelernt ...

So hatten wir also auch die brasilianischste aller Städte, die wirklich sehenswert ist und Lust auf mehr macht. Aber dazu blieb keine Zeit - wir mussten ja zur fünften und letzten Etappe unserer Tour de Brasil aufbrechen. Und die genießen wir jetzt in vollen Zügen in Praia do Forte. Heute war Strandspaziergang und Baden dran. Der Atlantik punktet hier mit üppigen 26° Wassertemperatur, klarem Wasser und den bis zu 3 m großen Meeresschildkröten. Die haben wir zwar noch nicht gesehen abersie legen an diesem Strand hier ihre Eier ab. Im Hotelprospekt heißt es, man möge Licht auf dem Balkon vermeiden, weil dies die Orientierung der Turtles stören könnte. Aha. Nach dem anstrengenden Baden war chillen, wahlweise auf Liege oder Hängematte ausgeschriebn. Ein laues Lüftchen weht und lässt einen bei der Hitze nicht so schwitzen. Hier lässt es sich aushalten, am besten in der Waagerechten unter Kokospalmen am Bounty-Strand, eine gekühlte Kokosnuss schlürfend. Es geht uns unverschämt gut ...




Bisdenn JM!

ps: noch'n Bild vom Amazonas - unsere Hütte ...


ps: Wir sind jetzt hier:

Montag, 18. Oktober 2010

Finale

Wir haben es uns verdient!

Schließlich sind wir nicht tausende Kilometer durch dieses Land geirrt, ohne uns zu auch mal zu erholen. Es ist ja wirklich kaum zu glauben, dass wir am Ende unserer Reise allein in Brasilien schlappe 10.000 Kilometer zurückgelegt haben werden. Bis jetzt liegen wir bei 8.585 km. Und dann müssen wir ja noch mal nach Sao Paulo ...

Für die Statistik:
Rio - Iguassu: 1186 km
Iguassu - Sao Paulo: 835 km
Sao Paulo - Manaus: 2687 km
Manaus - Brasilia: 2367 km
Brasilia - Salvador: 1510 km
Salvador - Sao Paulo: 1144 km
gesamt: 9729 km


Dazu kommt dann noch:
Berlin - Paris: 876 km
Paris - Rio: 9162 km
Sao Paulo - Amsterdam: 9795 km
Amsterdam - Berlin: 574 km

Das wären dann zusammen 30.136 km bei insgesamt 10 Flügen. Mein lieber Schollie!!! Da muss ich mal noch die Flugzeiten zusammenrechnen - aber nicht jetzt. Jetzt ist Hardcore-Chillen angesagt.

Und zwar hier:

"Das ehemalige Fischerdorf Praia do Forte, gelegen ca. 80 km nordöstlich von Salvador, der Hauptstatdt des brasilianischen Bundestaates Bahia, gilt als einer der schönsten und besten geplantesten Ferienorte Brasiliens. Nicht umsonst wird die Umgebung des Ortes auch als das 'Polynesien Brasiliens' bezeichnet." Zitat aus http://www.pousadapraiadoforte.com/ (für die Wissbegierigen steht da noch mehr ...)

Wenn nicht hier, wo denn? Wenn nicht jetzt, wann dann?

Ich sitze wieder mal allein vor meiner Kiste, diesmal auf genau diesem Balkon und lausche der Brandung. Der Rest der Reisegruppe schläft - Der Reiseleiter schläft nie. Oder??? Ich hab's mir anders überlegt. Ab ins Bett und morgen dann in der Hängematte bei 29°C und einem kühlen Mangosaft (oder doch Caipirinha?) weiterschreiben und von unserem Abstecher nach Salvador gestern berichten.

Bisdenn JM!

Sonntag, 17. Oktober 2010

Argentina

(Wir sind wieder online- Am Amazonas ging nix, da wird halt noch getrommelt. Jetzt in Salvador ist wieder Zivilisation und wir reichen nach ...)
Iguassu
Es ist so unglaublich, dass es schon fast nicht mehr wahr sein kann. Ich sitze hier nachts auf unserer Terrase der TIWA-Lodge, blicke auf den See, lausche den Geräuschen des Dschungels um uns herum, akklimatisiere mich bei 28° und versuche, die Eindrücke der letzten drei Tage in Worte zu fassen. Es ist nicht ganz einfach.
Es kann nicht erst eine Woche her sein, dass wir in Tegel noch einen Piccolo schlürften. Seitdem ist soviel passiert, dass es uns vorkommt, als wären es Wochen. Brasilien. Was für ein Land, was für Dimensionen, welche Kontraste. Wo fange ich an?

Am besten mit dem UNESCO-Weltkulturerbe und aussichtsreichem Kandidaten für die Wahl der neuen Weltwunder: Die Wasserfälle von Iguacu. Vorher denkt man, naja lass mal Wasserfälle gucken. Hatten wir ja alle schon mal irgendwo. Und dann das! Götterdämmerung! Never seen before. Nicht in Worte zu fassen. Iguassu: Auf indianisch: die großen Wasser. Nicht mehr und nicht weniger. Vor allem nicht weniger als 275 Wasserfälle auf mehreren Kilometern, der spektakulärste 75 Meter tief - wie soll man das beschreiben. Gigantisch trifft es nicht mal annähernd. Unfassbar ist es alle mal und überwältigend für den Menschen. - Dieses Schauspiel nahm wie versprochen einen ganzen Tag in Anspruch. 8.30 Uhr Abfahrt vom Hotel mit Enio Pedro Baron, unserem Guide. Und wir fahren nach: ARGENTINIEN. Grenzkontrolle wie früher zweimal mit anstehen und so. Aber dann. Argentinien. Einfach so. Wir sind in Argentinien. Allein, meinen Gemütszustand diesbezüglich zu beschreiben, würde Seiten füllen. Aber das wäre es auch wert. Welcome to Argentina! stand da - die wissen, was sich gehört. Endlich. Es ist nur ein millionstel Zipfel, aber es ist Argentinien und ich bin da. Unbeschreiblich.

Genau wie das, was Argentinien zu bieten hat. Nahezu 100% von meinem Argentinien bestehen aus Wasserfällen und Dschungel. Als erstes werden wir in Letzterem von Affen begrüßt und beworfen, die eigentlich nur einmal im Monat Touristen begrüßen. Aber die wussten ja, wer kommt ...
Und dann waren da die Nasenbären: Da! Wo? na da? Na wo denn? Na da im Dschungel! Während die fotografische Fraktion zum Angriff überging, trabten zwanzig dieser wilden Tiere gemütlich hinterrücks über den Weg und waren plötzlich überall. Nasenbären eben. Fotoapparat wieder einstecken - ganz ruhig Brauner. Die wollen nur spielen und futtern. Im Hintergrund das permanente Grummeln, das lauter wurde, je weiter wir liefen,. Und plötzlich stehst Du da: Rumms. Wasserfall - riesig. Ha! Das war nur der erste, einer der kleineren, der es, allein genommen, sicherlich ins deutsche Guinness Buch geschafft hätte. Aber die Monsterfälle sollten ja noch kommen. Und das taten sie auch. Einer größer und gewaltiger als der andere. Und kein Ende abzusehen. Aber Don Pedro hatte ein Einsehen und setzte uns auf einen LKW mit Klara. Ihreszeichen Touristenführerin aus Argentinien, die für das Vorspiel verantwortlich war und ihre Sache gut machte. - Wir wurden eingelullt, mit Wissen bombardiert und unten am Fluss entlassen mit den Worten: "Enjoy the shower!" Sonst heißt es immer: "Enjoy the show!" Es war kein Versprecher. Sie sollte Recht behalten. Denn da stand schon das Boot: Feel the Falls - Eins werden mit dem großen Wasser war die Devise. Und ab ging die Luzie. Zweimal voll rein in die große Dusche, als schossen tausende Strahlrohre gleichzeitig. Später sahen wir bei anderen Opferbooten, dass sie nicht mal annähernd in das Sturzwasser kamen, sondern nur den Nebel und die Gischt berührten. So kam es uns jedenfalls nicht vor. Gott sei Dank hatten wir uns von Don Pedro so'ne komischen Regenponjos aufschwatzen lassen - so blieben wenigsten einige wenige Stellen trocken (außer bei Senór P., der hatte einen kaputten erwischt und war durch.). Was dann noch folgte, ist schnell erzählt: Kurze Fahrt mit einer Pioniereisenbahn, mit anschließender 2 km (!) Wanderung auf einem Metallsteg quer über den Rio Iguassu hin zur Teufelsschlucht. Und die machte dann ihrem Namen alle Ehre: siehe oben - es fehlen die Worte, das zu beschreiben.
Dann machte unser Pedro langsam Druck, wir sollten uns beeilen - Brasilien macht zu.  - (???) - Er meinte natürlich die brasilianische Seite der Wasserfälle. Don't cry for me Argentina, sangen wir noch und waren schon wieder in Old Brazil. Dort dasselbe Schauspiel aus anderem Blickwinkel, aber nicht minder interessant. Abends dann im Hotel mal wieder platt wie 'ne Flunder noch Abendbrot und sofort Hochgeschwindigkeitsschlafen, weil um 3.30 Uhr Wecken ist. Was war das wieder für ein Tag. Einfach Wahnsinn.



Piranhas und Piraten
Von Iguassu ging es über Sao Paulo (1,5 h Flug) dann nach Manaus (5h), 300 km südlich des Äquators. Ankunft am frühen Nachmittag, Abholung wieder perfekt. 30 °C, Waschküche - gefühlte 45°, Sauna. Nach 20 Minuten stopt der Kleinbus. "Okay, hop off!"  - (?????) -  "We take the boat." Aha: Wir taken ein Boot. Bis zum Boot waren es aber noch 300 Meter, zunächst steil bergab und dann durch den Sandstrand. Koffer??? No Problem, sagte ein plötzlich anwesender Einheimischer und stellte sich auch sofort vor: "My Name is Washington" (mit Betonung auf 'o'). I'm from the Lodge! Zirka 60, schmächtig. Gut, dass Washington noch 2 Freunde mitgebracht hatte. Die schulterten unsere Koffer als wären es Baumwollsäcke. We take the boat. Wir taketen aber nicht nur ein Boot, sondern gleich zwei. Die uns freundlich begrüßende Lucia teilte uns mit, dass wir ein Riesenglück hätten, weil hier zur Zeit eine Jahrhundert-Trockenheit herrsche. Kolmbien schickt einfach kein Wasser mehr den Fluss hinunter - die Schneeschmelze hat gerade erst eingesetzt und es dauert noch drei Wochen bis wieder normale Pegel erreicht werde. Das fanden wir zunächst noch toll, Zeuge eines seltenen Schauspiels zu sein. Trugschluss! In der Mitte des 8 km (!) breiten Flusses stoppt das Boot. Wir steigen um! Ach was! In ein Kanu mit Motor. Koffer? No Problem, die holt Washington später nach. Aha!!! Mit dem Kanu??? Na klar, womit sonst? nochmal: Aha! Das Abenteuer Amazonas beginnt. Wieso fahren wir eigentlich nicht über eine Brücke, will ich wissen. Weil die einzige Brücke weit und breit noch im Bau ist. Aha. Also Kanu, weil der Wasserstand stellenweise nur noch 50 Zentimeter beträgt. Das Kanu war naürlich aus Holz und hatte ein Leck. No Problem - Wir schaffen es bis zur Lodge. Aha. Der Drops schien gelutscht und alle Messen gesungen, Schlappe 4 km vom Ufer entfernt in einem löchrigen Kanu auf einer dunkelbraunen Brühe voller Piranhas schwimmend suchten wir schon mal das Wasser nach den weitverbreiteten Krokodilen ab. Natürlich kreisten auch wieder Geier. Und als wäre das nicht schon genug, wurden wir von springenden Fischen (kein Quatsch) attackiert. Das glaubt uns sowie keiner, dachten wir, als tatsächlich Fische ins Boot sprangen. Hier muss das Angeln Spass machen, hätte man ein  intaktes Boot. Die Fisch waren übrigens Süßwassersardinen, es gibt aber auch Delphine hier, sagt Lucia. Na hoffentlich nicht jetzt ...
Zu allem Überfluss verfolgte uns jetzt auch noch ein Gewitter. Es war schon alles egal. Komischer Weise hielt das Boot und wir kamen tatsächlich trockenen Fußes und vor dem großen Regen in der Lodge an und wurden belohnt von dieser traumhaften Anlage. Wir hatten zwar keine Koffer mehr, waren aber trotzdem glücklich. Ein paar kühle Getränke und ein Mittagessen später krönte ich Washington zum Mann des Tages. Die Koffer waren da - keine Ahnung wie er das gemacht hat - sie standen einfach da. Aber zur Freude blieb wenig Zeit, eine Exkursion stand noch auf dem Plan für heute: Piranha-Fishing und Kaiman-Watching. Abfahrt 16.30 Uhr. Daraus wurde 17.30 Uhr, weil Rotze verpennt hatte. Unsre Reisegruppe am Amazonas war auf 12 angewachsen, einer davon war Rotze. Den nannten wir so, weil der so herrlich und klangvoll selbige durch die Nase hochziehen konnte, oben wendete und geschickt und genüsslich ausspie. Es dämmerte bereits. Egal. Mit dem Kanu ab zum Großboot und los geht's mit Kaimane suchen. Mittlerweile war es schon dunkel. Man soll Kaimane in der Dunkelheit an den leuchtenden Augen erkennen, wenn man sie anstrahlt. Aha! Deshalb dieser Aufwand. na gut. Tatsächlich sahen wir dann auch einmal zwei Leuchtpunkte in 100 Meter Entfernung. Einzigartiges Schauspiel! Wenigsten haben wir auf dem Rückweg noch an einer Wassertankstelle angehalten und Bier geholt. Für die Piranhas war es auch zu spät. Die Dunkelheit hätte uns überrascht. Ach! Das ganze Jahr  über geht die Sonne hier um punkt 18.00 Uhr unter - welch Überraschung.  Alles bloß, weil Rotze verpennt hatte. Es sollte aber noch besser kommen. Überglücklich ob des schönen Abends und ausgestattet mit reichlich Bier ging die Fahrt munter zurück. Beleuchtung an den Wasserfahrzeugen scheint nicht vorgeschrieben, als hat auch keiner die Lampe an. In völliger Dunkelheit jagte unser Schnellboot dahin. Ständig huschten andere Boote vorbei, Kaimane dafür keine mehr. Rätselhafter Weise fand der Captain ohne Lampe und Unfall zurück zum Umsteigepunkt in der Mitte des Flusses. Aber da war kein Kanu mehr - dafür völlige Dunkelheit. Nichts passierte, weiter ging es nicht, zurück wäre Quatsch. Wir lagen auf Reede. Wenigstens hatten wir Bier. So ging die Zeit ins Land, resp. den Fluss. Wir nutzten sie, um uns mit unsreren mitreisenden Piranha-Anglern aus Sachsen anzufreunden, quasi Angel-Sachsen. Irgendwann: Motorengeräusch. Das Kanu kam. Rotze, dem wir den ganzen Schlamassel zu verdanken hatten, geht mit seiner Gruppe natürlich als erster. Das Kanu muss zweimal fahren und braucht 30 Minuten für eine Strecke. Wir passen nicht mehr drauf, haben aber noch Bier. Exakt nach einer Stunde völliger Dunkelheit kam das Kanu. Also gleich geschafft. Denkste. Unverhofft kommt oft. Aus. Der Motor stottert und geht aus. Sprit alle, denken alle im Chor. Glück gehabt. Motor geht wieder an. Plötzlich laufen wir auf Grund. Aber auch jetzt kriegt unser Chauffeur den Kahn wieder flott. Und dann kracht's. Entsetzen. Totenstille. Finsternis. In der Ferne krächzt ein Papagai. Der Dolmetscher räuspert sich verdächtig lange und lässt die Katze aus dem Sack: Die Schraube hats erwischt. Aus. Das Spiel ist aus. In einem solchen Moment gehen einem seltsame Dinge durch den Kopf. Wirst du dem Kaiman entkommen, um am Ende von Piranhas gefressen zu werden. Oder: Jetzt fehlen nur noch Piraten. Gleich nach dem Gedanken tauchten die Gestalten in der Dunkelheit auf. Eine Lampe am Ufer ging an. Die Schemen bewegten sich. Die Spannung steigt. Keiner sagt ein Wort - und dann: Der Motor springt wieder an. Wir bewegen uns wieder. Beifall und Jubel wie nach der Landung in Malle brandeten auf, es gab wieder Hoffnung. Irgendwann gegen 22.00 Uhr waren wir zurück. "Morgen machen wir dann die Exkursion in den Dschungel und zum Rendevouz der Wasser - Wir fahren mit dem Boot." Na toll. Den Rest des Abends und den nächsten Morgen genossen wir die Lodge. Einfach traumhaft, direkt am Fluss gelegen. Um einen Teich herum reihen sich Bungalows, die im Wasser stehen. Dahinter die grüne Wand des Dschungels. Dazu der unglaubliche Sound - klingt wie im Tropenhaus im Tierpark. Dort gibt's auch den Papagai, der hier ständig rumflattert. Am morgen dann Kaimane, kleine Krokodile also, in unsn Teich. Die lassen sich sogar füttern. Und wir fahren stundenlang ... Egal! Die Exkursion verzögerte sich natürlich. Wir hatten Zeit zum genießen. Der Pegel ist weiter gefallen, Bootfahren geht gar nicht mehr - was nun. Gegen Mittag geht's dann los. Auf dem Landweg soll es klappen. Gefühlte 50° im Schatten. Kurze Wanderung bergauf durch den Dschungel. Waldweg erreicht. Nichts. Warten, schwitzen. Dann kommen vier Taxis und die Exkursion beginnt. Und die wurde dann wirklich toll. Wir bestiegen irgendwann doch noch ein Boot und fuhren flußabwärts, vorbei an Manaus zum Treffen der Wasser, wo der helle Sollimoes in den dunklen Rio Negro mündet und beide kilometerweit nebeneinander fließen ohne sich zu vermischen. Ein wirklich tolles Schauspiel. Ebenso wie die Wanderung in den Dschungel. Ein rundum gelungener Nachmittag. Selbst die Rückreise klappte gut und abends tauschten wir etliche Erfachrungen mit unseren sächsischen Freunden bei etlichen Caipirinhas aus. Hannelore und Gudrun erzählten viel, ihre Männer nicht so.
Am nächsten Tag Abschied vom Amazonas, der Tiwa-Lodge, von Washington und seinem Ara. Die Sachsen bleiben länger, folgen uns aber nach Salvador da Bahia.

Auf genau diesem Weg befinden wir uns - wir sitzen wieder im Flugzeug und fliegen 6 1/2 Stunden von Manaus nach Salvador mit Zwischenlandung in Brasilia.
Es ist Samstag, der 16.10.2010. Wieder drei tolle Tage vorbei. Erinnerungen und Fotos ohne Ende und noch immer nicht Schluß. Die Tour de Brasil geht weiter.

Bisdenn JM!

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Frau Holle und der Karneval in Rio

Es war der Tag der Tage.

Unser Schicksal der verpatzten Christusbesteigung von gestern erwies sich heute als wahrer Glücksgriff. Diesem Umstand hatten wir es zu verdanken, dass  Claudia do Brasil sich noch einmal um uns kümmerte. Eigentlich wollte sie uns nur noch auf den Corcovado scheuchen und dann entfleuchen. Aber dann kam Frau Holle ins Spiel und riss es sofort an sich. Das war nämlich die selbstbewusste, allwissende und bekennend feminine Geschäftsfrau aus dem Rheinischen, die mit ihren 4 Kindern heute ankam und eigentlich die Zielperson unserer (!) Claudia für heute war. Aber die unfehlbare Brillenträgerin widersetzte sich eiskalt der vorgegebenen Route und wischte alle Vorschläge mit einem kühlen "Kenn ich schon alles - Ich bin jedes Jahr hier." vom Tisch. Was für eine Schnepfe, dachte ich noch. Aber so ein Glück hat man nicht immer. Sie wollte partout allein mit ihren Zwergen auf den Zuckerhut (pah! das kann ich jetzt auch). Na gut, meinte unsere Chefin - Reisende soll man nicht aufhalten. Und zu uns gewandt: "Dann können wir uns eben noch einen schönen Tag machen." Und das machten wir.

Was für ein Tag! Frau Holle (die hieß wirklich so ähnlich) muss unserer armen Claudia so zugesetzt haben, dass sie mit uns jetzt aber aus Trotz zu ganz großer Form auflief und uns ein Rio zeigte, was vermutlich nicht viele Touristen zu sehen bekommen.

Los ging's natürlich standesgemäß mit dem überfälligen Christus, der geduldig auf uns wartete und auf seinem Berg die Arme für uns ausbreitete. "Kaiserwetter" war gestern, der Blick natürlich trotzdem gigantisch. Schon die Auffahrt war ein Abenteuer mit dieser alten Zahnradbahn, quer durch den Regenwald am Berg. Es standen natürlich wieder hunderte an, aber unsere Claudia war einfach ihr Geld wert. "Nu gemma gemma!" -  im perfekten brasilbayrisch trieb sie uns in Sekunden an der Schlange vorbei und rein in den Wagon. Und dann, oben angekommen, nach dem widerwilligen Einsatz der Ellenbogen steht man dann irgendwann ganz vorn, den christlichen Beistand hinter sich wissend und blickt auf diese Stadt und sagt sich: das bist Du selbst, der HIER steht. Was für ein Blick, was für ein Moment. Scheiß auf's Kaiserwetter.

Christus scheint von alldem  unbeeindruckt. Ihm liegen schließlich Fotojunkies aus aller Welt zu Füßen - im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Rücken und lichten ihre Liebste über ihnen stehend mit abgewinkelten Armen ab. Groteske Szenerie. Erwachsene Menschen suhlen sich auf der Erde während ebenfalls Erwachsene über Ihnen den Hampelmann machen. Nur für das ultimative Foto. Naja wir sind ja schon groß ...

Wieder unten angekommen, fragt unsere Claudia, ob wir nicht vielleicht zum Karneval wollen. Na und ob wir wollen. Ist natürlich nicht der richtige Karneval, aber zumindest das berühmte Sambodrom, die Arena also wo die Party alljährlich steigt. Die ist im übrigen eine nur 800 m lange nichtöffentliche Straße mit Tribünen auf beiden Seiten. Ja und natürlich gibt es da auch eine Ausstellung, in der man auch einige der Originalkostüme anprobieren kann, um damit dann mal Probe zu laufen. Haben wir selbstredend gemacht. "Tanze Samba mit mir ..."
Danach ging es noch mal in die Altstadt, an mehrere interessante Orte und selbstverständlich ins Cafe Colombo, das erste Haus am Platz, was Kaffe und Kuchen betrifft. Enstprechend voll war der Laden dann auch. Ohne unsere Heldin hätten wir auch hier weder einen Platz, noch Kaffe, geschweige denn Kuchen bekommen.
Aber das war dann auch ein Kaffee. Zweifellos der beste Capuccino in ganz Südamerika, quatsch der ganzen Welt ...

Und ein Höhepunkt jagte so den nächsten: Straßenbahn! Aber nicht einfach nur Tram - viel besser. Es begann, wie es immer begann: Endlose Schlange - unschlagbare Claudia. "Lasst uns nach Santa Theresa laufen und zurückfahren." Gesagt getan und gleich noch'n Highlight zwischengeschoben: Die berühmte Treppe des Selaron (Ihr wisst schon, die mit den tausenden Fliesen aus aller Welt). Und nicht nur das: Claudia gabelt sogar noch den Meister höchstselbst auf und arrangiert zu allem Überfluss Fototermin, Atelierbesuch und Autogramm. Unglaublich! Die Treppe ist übrigens schick.
Santa Theresa - Tram - ein Fahrt 60 Centavos (20 Cent) inklusive Fitnessprogramm und Abenteuer. Der Wagon ist nämlich rundrum offen und der Schaffner turnt außen rum, um während der Fahrt zu kassieren. Was für ein Gaudie, vor allem, wenn die Passagiere das auch probieren (Ich durfte natürlich nur mal kurz ...)
Zum Abschluss unserer Tour gab es dann noch eine Metrofahrt und wir waren zurück im Hotel. Das Beste an diesem Tag waren jedoch die vielen, vielen Gespräche mit Claudia über Gott und die Welt in Brasilien. Einfach eine tolle Frau, die man nur weiterempfehlen kann, von der wir uns aber leider schon verabschieden mussten.



Abends dann das Übliche: Caipirinha an der Copacabana - mal hier mal dort, treiben lassen, genießen.

Tja, was für ein Montag. Heute ist allerdings schon Dienstag und wir sitzen gerade im Flugzeug nach Iguassu. Rio ist also schon Geschichte. Heute blieb nur noch Zeit für ein paar Kokusnüsse und Mangosäfte am Strand. Dabei das wuselige Treiben beobachten, das die Cariocas an einem Feiertag wie heute abliefern. Es ist irgendein Kirchentag und obendrein Kindertag. War mächtig was los an der Copacaban, sogar die Schönheiten gaben sich bei diesem Kaisewetter massenhaft die Ehre. Dann aber gegen Mittag Abschied: Obregado Rio de Janeiro. Bis zum nächsten Mal!

Jetzt also Iguassu! Mal sehn was uns da erwartet - Dies im nächsten Bericht, wenn Internet vorhanden.

Bisdenn JM!

Iguassu - angekommen. Warm, schwül, dunkel. Nicht viel zu sehen. Morgen, Mittwoch dann Wasserfälle. Zuerst mit dem Zug nach Argentinien, dort mit dem Boot rischtsch ran an den Fall und danach zurück nach Brasilien und von dort Vollwertblick genießen. Na ich bin ja mal gespannt. Don't cry for me Argentina.

Die nächste Post kann dauern, denn übermorgen ist bereits um 6.00 Uhr TakeOff Richtung Amazonas - also zeitig losschnubbeln, vermutlich keine Zeit für Gekritzel.
Wir werden sehen ...

Bisdenn JM!

Montag, 11. Oktober 2010

Rio total

Punkt 9 Uhr heute morgen wurden wir von unserer brasilianischen Claudia mit dem Wort "Kaiserwetter" begrüßt. Woher sie das nur weiß? Es stimmte jedenfalls. Nicht immer präsentiert sich Rio derart perfekt wie heute, sagt sie. Es stand Stadtrundfahrt an mit ausgedehnten Rundgängen. Nachdem wir gestern nur Copacabana gesehen hatten und uns schon fragten, wo die 6 Millionen alle leben, wurde uns das schnell klar. Ein Ausblick vom Zuckerhut hilft dabei. Die Stadt ist riesig und liegt an einer noch riesigeren Bucht und wird durch viele Hügel und Berge geteilt. Unten sieht man das natürlich nicht. Aber nach der Seilbahnfahrt auf den Pao de Acucar (Seilbahn: schweizer Qualitätsprodukt) wurden die Ausmaße deutlich. Neben Copacabana liegt Ipanema, auf der anderen Seite des Sugar Loaf Botafogo, Flamengo und andere Stadtteile. Der/die Blick/e waren grandios und erklärten gleichsam warum die Entdecker damals die Flußmündung des Janauarflusses vor sich wähnten. Die riesige Bucht sieht mit ihren Strömungen wirklich aus wie eine Mündung. Gut dass der Name Rio de Janeiro trotzdem geblieben ist. Es war jedenfalls ein beeindruckender Aufenthalt mit tollen Ausblicken. Achja: Affen rannten da auch rum und Geier kreisten - warum auch immer.

Danach Altstadt. Sogar das gibt es hier, mit Straßenbahn und alten Häusern und so. Aucht toll. Vor allem auch deshalb, weil sich hier plötzlich die Bankomaten als kompromissbereit erwiesen. Wir sind wieder flüssig. Kathedrale, Opernhaus, Nationalbibliothek, die Klassiker also wurden genauso abgehakt wie das Finanzzentrum mit Wolkenkratzern und fehlenden Menschen (Sonntag).

Dann endlich: Corcovado. 700 m. Christus. Vollwertblick. Auffahrt mit einer alten Zahnradbahn. Dachten wir jedenfalls. Geschätzte tausend, gefühlte hunderttausend Menschen waberten da rum. Selbst Brasil-Claudia war von den Socken. "Und das sind alles Brasilianer - Unfassbar". Naja, ein paar Argentinier waren vielleicht auch dabei. "Ja, die kommen gern zu uns." Toll. Aber warum gerade heute. Egal. Wir taten vollkommen unbeteiligt und schlenderten, ein Liedchen pfeifend an der Schlange vorbei, bis wir ganz vorne waren. Claudia schon die erste in der Schlange. Aber es half nichts. Der Schwindel flog auf. 2 einhalb Stunden Wartezeit. Nö. Neuer Plan. Wir verschieben das auf morgen und fahren nach Ipanema auf den Flohmarkt und danach an den Strand Caipirinha trinken. Gute Idee, sagte uns auch unser Sachverstand. Gesagt getan. Der Flohmarkt war toll und vollkommen anders als gewohnt und brachte eine neue Erfahrung. AICA. Ist die unbestrittene Nummer eins der Fruchtsäfte - Vitaminbombe. Okay. Bestell ich. Wir kriegen aber keinen Saft, sondern etwas, was aussieht wie tote Oma im Plastebecher. Es war die Spezialität der Saison. Aica-Sorbet. Und schmeckte höchst lecker. Schön fruchtig und süß (wird aus der Frucht der Palmbeere gemacht). Eigentlich wollten wir ja Kaffe trinken. Das gestaltet sich hier aber als zunehmend schwer. Überall gibt es Saftbars und Cocktailpinten aber nirgends ein Cafe oder ähnliches. Komisch. Das kriegen wir aber auch noch raus.

Ipanema. Postos 9. Das Nonplusultra, wo sich die schönen und reichen tummeln. Postos ist nur der Strandabschnitt. Aber dort muss man sein, um standesgemäß zu baden, zu trinken, gesehen zu werden. Da waren wir. Natürlich. Aber auch kein Kaffee.
Caipirinha hatten wir dann bei Postos 7. Gleich 2. Der war nämlich hervorragend. Und dann schon wieder Copacabana. Wieder flanieren, nochmal Caipi und irgendwann auch Kaffee, resp. Espresso - mehr geht nicht.

Ich könnte noch 'ne Weile so weiter schreiben, aber mittlerweile ist es schon spät. Es war wieder ein Wahnsinnstag in Rio. Morgen geht das Abenteuer weiter. Christus wartet.

bisdenn JM

Sonntag, 10. Oktober 2010

Jetzt aber!

Jetzt aber!
Kein Schild keine Tränen. Dabei habe ich alles gegeben und überall auf dem Flugplatz gesucht - Kein Schild. Dafür aber eine tolle Reiseleitung in Form einer netten und schönen (perfekt deutsch sprechenden) Brasilianerin namens Claudia, die uns wie im Fernsehen mit Schild und so am Ausgang empfing. Und dann: RIO. Tatsächlich. Erster Eindruck. Draußen vor dem Flugplatz. Gewusel. Taxis ohne Ende. Eigentlich wie Tegel. Nach insgesamt 17 Stunden ohne Nikotin hatten wir dann auch erstmal ein Ziel.

Unsere Reiseleiterin hatte dann auch den Durchblick im Chaos und lotste uns zum richtigen Kleinbus. Passage ins Hotel. Unsere überschaubare Reisegruppe von 4 Personen wird von der schönen Claudia eingestimmt auf Rio. Vorbei an den Favelas und Zuckerhüten geht die Fahrt 30 Minuten ins Hotel Mar Palace Copacabana. JA! Direkt an der selben. Die Uhr zeigt 7.30 Uhr Ortszeit - die Zimmer sind noch nicht fertig. Schau. Wir dafür umso mehr. Fix und fertig. Dabei war der Flug recht entspannt und angenehm kurz mit 11 Stunden. Wenn nur der fehlende Schlaf nicht wär. Egal! Rio! Copacabana sofort. Und da stand ich dann, mit doch ein wenig feuchten Augen, früh morgens um 8, übermüdet und platt wie eine Flunder an diesem Strand. Ja. Und ich war nicht allein. Meine Reisegruppe konnte mich stützen und Cariocas waren auch da. Viele.

Irgendwann waren dann auch die Zimmer bezugsfertig und der Schlaf bestimmte, wie es weiterging. Viel ging dann nicht mehr heute. Abgesehen von ein paar erfolglosen Versuchen, widerspenstigen Bankomaten Geld abzuluchsen, einigen Cervezas am Strand mit Sonnenuntergang und 'nem guten Essen war mit uns nicht viel anzufangen. Jetzt sitze ich zum Abschluss dieses unvergesslichen Tages auf der Dachterrasse des Hotels, schaue auf den Corcovado und lasse mich vom hell erleuchteten Christus inspirieren, trinke ein Bier und schreibe zu guter Letzt, dass morgen Rio total ansteht mit Stadtrundfahrt, Samba, Zuckerhut und soweiter.
ps. Die Franzosen haben nicht gestreikt, Verspätung hatten wir natürlich trotzdem reichlich.

bisdenn JM



Donnerstag, 7. Oktober 2010

T minus 24

noch 24 Stunden,
dann hebt die Maschine in Paris ab Richtung Rio. Mann, was sind wir aufgeregt. Die Koffer sind so gut wie gepackt, die Tickets gelocht und der Reiseführer angewärmt. MP3-Player gefüllt, Handy und Laptop aufgeladen, Mails gecheckt und geschickt, TV-Standby abgeschalten, WLAN gekappt.
Neue Pässe haben wir auch (Danke Otto Schilly!).

Was war das früher doch einfach. Landkarte und Stadtplan besorgen, Buch und Brille einpacken, Oma anrufen - Fertig. Na gut. Dafür ging's früher auch nur bis zur Ostsee oder an'n Balaton.

Morgen geht's jedenfalls an'n Zuckerhut, vorausgesetzt, die Franzosen streiken nicht wieder.

Die nächste Meldung sollte dann von vorort kommen.
(Hoffentlich haben die da schon dieses neue, wovon jetzt alle reden, dieses Internet ...)

bisdenn
JM

Mittwoch, 6. Oktober 2010

noch 48 Stunden

Es ist unglaublich!
Aber es scheint wahr zu sein. Was ich niemals zu träumen gewagt habe, wird zur Realität: Wir fliegen nach Rio. Tatsächlich! Es ist kein Traum mehr. In 48 Sunden startet der Clipper von Paris aus Richtung Rio de Janeiro. Wie das klingt. Wie Copacabana, Samba, Ipanema. Und nicht nur das. Wir werden die größten Wasserfälle dieser Erde sehen und den Amazonas, den Giganten der Flüsse. Was für einTraum.
Zwei Wochen Urlaub in einem Land, das immer noch etwas exotisches an sich hat. Dabei ist es gar nicht mehr so exotisch. Aber als Reiseziel scheinbar schon. Ich kenne jedenfalls keinen persönlich, der schon mal da war. Egal: Samstag früh um 6.00 Uhr Ortszeit werde ich Tränen in den Augen haben, wenn ich das Schild lese: Welcome to Rio de Janeiro!

Wie dem auch sei. Ich dachte jedenfalls, dass es nicht schaden kann, darüber einen Blog zu schreiben, um Interessierten die Möglichkeit zu geben, an unseren Erlebnissen teil zu haben. Ich werde also meine kleine Zauberkiste mitnehmen und versuchen, so oft wie möglich ein paar Zeilen zu schreiben und ein paar Fotos einzukleben.

bisdenn
JM