Donnerstag, 21. Oktober 2010

Mythos und Wahrheit

Mythos: In Brasilien scheint immer die Sonne. Das dachten wir bis heute auch. Es regnet. Kurz aber heftig. Es lockert schon wieder auf. Zeit also, mal mit einigen Mythen und Gerüchten aufzuräumen und Rätsel aufzulösen.


Mythos 'Malaria'

Alles Quatsch. Zumindest in den Regionen, wo wir uns bewegten. Selbst am Amazonas werden die Malariamücken als exotische Tiere angesehen. Die haben da einfach schlechte Karten wegen des für sie ungünstigen, weil sauren Wassers. (Die Eier sterben einfach ab.) Wir haben trotzdem artig unsere Tabletten geschluckt. Ähnliches gilt für Gelbfieber. Die Impfung hat zumindest nicht geschadet - und was man hat, das hat man eben.


Mythos 'Der europäische Magen dreht sich ständig um.'

Auch Blödsinn. Anfangs haben wir die Getränke noch ohne Eis bestellt. Aber nicht lange - Caipirinha ohne Eis geht nun mal nicht. Weder das Essen noch die Getränke von der Straße konnten uns was anhaben. Das riesige Medipack haben wir umsonst mitgeschleppt - nicht eine Pille war von Nöten.

Ach ja: Die Brasilianer mögen es gerne kalt. Ob Klimaanlage oder Bier. Es muss richtig kalt sein, so kalt, dass aus der Bierbüchse schon mal nichts rauskommt ...


Mythos 'exakte Körperwaage made in Germany'

Die freundliche französische Fluggesellschaft, deren Name von nicht französisch sprechenden Mitbürgern gern als 'Eier Franke' ausgesprochen wird, befördert neben Passagieren auch deren Gepäckstücke. Das ist soweit ganz praktisch, genau wie das Gewicht pro Koffer, das bei max. 23 kg liegt. Dank Internet wussten wir das vorher und wogen unsere Koffer zu Hause mit einer Körperwaage made in Germany. Die zeigte jeweils 21 kg an. Na wunderbar - dann passen ja doch noch diese Schuhe rein. Klar, Schatz! Die Ernüchterung kam natürlich am Schalter auf dem Flugplatz. 25 kg zeigte die blöde Waage an, woraufhin der Schaltermann grinste und 100 € verlangte. Kommt gar nicht in Frage. Koffer auf, schweres Zeug ins Handgepäck, Koffer zu. 23,3 kg! Grinsen! Er ließ uns mitleidvoll passieren. Stolz wie Bolle über das Schnippchen, was wir Herrn France schlagen konnten, gingen wir zur Sicherheitskontrolle. Da dämmerte es uns schon und die flache Hand landete auf der hohen Stirn. Nein! Das haben wir wirklich gut hingekriegt. In meinem Rucksack schlummerten unzählige Fläschchen mit Sonnencreme, Shampoo, Duschbad, Nagellack nebst passendem Entferner und so weiter. Sämtliche Warnlampen gingen an, inklusive meiner eigenen, hektisches Treiben setze ein und zwei gut gekleidete Herren nahmen uns freundlich aber bestimmt beiseite. Da war mein Rucksack wieder leicht und die Herren boten an, den vermeintlichen Sprengstoff in der Gepäckaufbewahrung für 5 € pro Tag zu bewachen. Da taten sie mir dann doch leid. Werdet glücklich damit. Grinsen ...
Wenigstens konnten wir als Kompromiss den Nagellackentferner mitnehmen. Den haben dann auch nicht einmal benutzt.
Nun haben wir brasilianischen Sonnenschutz und der ist auch viel besser.


Mythos 'Rio ist gefährlich'

Der stimmt. Aber nur soweit, wie er für andere Großstädte eben auch stimmt. Es gibt Gegenden, in die man sich als Tourist nicht begeben sollte. Wenn man jedoch die normalen Verhaltensregeln und die speziellen Hinweise der Reiseleiterin einhält, kommt man ungeschoren davon. Die vielen Schauergeschichten, wonach Touristen bis auf die Schlüpper ausgeraubt und misshandelt ihr Hotel erreichten, können wir nicht bestätigen.


Mythos 'Adapter passt'

Als moderner Tourie hat man es schon nicht leicht. Das ganze technische Equipement, was den Urlaub zu dem macht, was er ist, soll ja schließlich funktionieren. Das Problem ist der Strom. Der fließt hier zwar beständig, aber nicht überall gleich, dafür aber aus vielen verschiedenen Steckdosen und schon gar nicht so wie bei uns. In der Regel wird man verwirrt mit drei verschiedenen Stromzapfquellen auf dem Zimmer. Meist steht noch dran, wieviel Volt man uns gibt. Das variiert ständig zwischen 110, 127, 114 und selten mal 220. Ein kurzer Blick auf das Netztteil läßt den Fotografen erleichtert ausatmen. 110 Volt geht. Jetzt kommt der Adapter ins Spiel. Wir haben zwei dabei, wo Brasilien drauf steht: Der eine passt in eine der drei verschieden geformten Steckdosen, aber mein Stecker passt nicht in den Adapter. Schimpfwort !!! In den anderen Adapter von Senór P. passt mein Stecker wunderbar und das Gesamtkunstwerk würde auch elegant in eine Dose gleiten, wäre da nicht dieser blöde Schniepel, der vollkommen sinnlos vorne rausguckt. Schimpfwort mit Nachdruck !!!! Dann eben mit Gewalt. Kraftvoll den Stecker in Adapter rammen und diesen behutsam in Dose beppen - Lampe geht an. Jubel !!! Lampe geht wieder aus, weil hält nicht. Schimpfwort mit "verdammte" hinten dran. Irgendwann arrangiert man sich mit den Widrigkeiten, kriegt die Akkus aufgeladen und hört dann den magischen Satz: "Geht eigentlich der Fön?" --- Puh! Da musst du erstmal kräftig durchatmen, bevor du antwortest. Gefönt wurde selten in Brasilien. Aber der Adapterfabrikant kann sich schon mal warm anziehen ...


Mythos 'Südhalbkugel'

Speziell für Herrn M. aus B. sind wir dieser Frage intensiv nachgegangen. Ist hier wirklich alles andersrum??? Sowohl als auch.

Beginnen wir mit dem Mond. Der ist wirklich falsch rum. Bei Halbmond ist die abbe Seite unten. Zumindest hier an der Küste. Am Amazonas war komischer Weise die abbe Seite oben und der Berg unten. Die Sterne sehen hier auch anders aus. Wir sind leider nicht dahinter gekommen, woran das liegt.

Richtig spannend wird's aber im Bad. Tatsächlich dreht sich das ablaufende Wasser im Washbecken andersrum. Das ist ein Phänomen. Anders im Klo. Zunächst wird man überall freundlich darauf hingewiesen, das Papier nach der Kontamination nicht einfach fallen zu lassen. Dafür gibt es schließlich den Eimer. Aha. Nach einigem Üben kriegt man das feinmotorisch aber ganz gut hin. Das weitere Schicksal des Papiers blieb uns jedoch verborgen. Sicherlich wird es recycled.

Des Rätsels Lösung, wie herum sich das Wasser der Klospülung dreht, ist einfach: es dreht sich gar nicht. Zunächst wird der Beckeninhalt abgesaugt, dann schießt aus einem Spülkasten Wasser nach. Da dreht sich nichts. Rätsel gelöst.


Mythos 'Kokosnuss'

Die Palmen mit den großen grünen Nüssen stehen hier zu tausenden rum, sind aber keine einheimischen Pflanzen. Sie stammen ursprünglich aus Afrika und wurden im Zuge der Kolonisierung eingeschleppt. Jetzt kann man die Nuss aber überall kaufen, um den leicht süßlichen Saft zu schlürfen. Etwa ein halber Liter dieser milchigen Flüssigkeit schwabbert in einer Frucht. Um da ran zu kommen, dreht man einfach den Schraubdeckel ab und steckt einen Strohhalm rein. Dieser, sich hartnäckig haltende Mythos stimmt natürlich nicht. Der gemeine Nusshändler benötigt 20 Sekunden zum Öffnen. Als erstes wird mit einer Machete der runde Boden abgeschlagen - das Ding soll ja stehen und beim Trinken nicht wegrollen. Danach hält er die Nuss in einer Hand, während die ander die Machete führt. Drei kräftige Hiebe, wobei die Nuss zwischen den Hieben exakt um 33,3° weitergedreht wird, ergeben eine gezackte Öffnung. (unsereins hätte sich schon die Finger abgehackt...) Strohhalm rein - fertig. Wenn gewünscht, wird die Nuss nach dem Trunk noch geteilt, um das weiße Fruchtfleich auszukratzen (Schmeckt nicht doll) oder als Aschenbecher zu fungieren.


Mythos 'Nur Schönheiten an der Copacabana'

Also, lieber Marten: Gut, dass wir unseren Sand mitgenommen haben, denn hier überwiegen die Klumpen. Natürlich gibt es die legendären kaffeebraunen, langstieligen, schlanken Schönheiten. Die muss man aber suchen. Vermutlich waren die meisten gerade bei der Karnevalsprobe und wurden nicht rausgelassen. Die gemeine Carioca-Dame präsentiert stolz ihre Leggings und das üppige Darunter. Und natürlich das Darüber, also das Üppige oberhalb der Gürtellinie. Fehlendes Selbstbewusstsein ist nicht zu spüren. Was man hat, kann man zeigen. Also doch lieber Sand mit in die Wüste nehmen ...


Mythos 'Karneval'

Die haben uns vielleicht schön verarscht bis jetzt. Wenn wir im Fernsehen Bilder vom Karneval in Rio sehen, denken wir, die ganze Stadt bebt und tanzt. Weit gefehlt. Nur im schon erwähnten Sambódromo lassen die die Sau raus. Tickets dafür kosten bis zu 3000 $. Die Sambatruppen brauchen für die ca. 800 Meter 90 Minuten und tragen pro Person bis zu 30 kg Kostüm. Harte Arbeit. Und sie trainieren das ganze Jahr nach dem Motto: Nach dem Karneval ist vor dem Karneval.


Mythos 'Brasilianische Küche'

Das ist wirklich nur ein Mythos, denn ein solche gibt es nicht. Trotzdem ist das Essen sehr lecker. Fisch, Fleisch, Gemüse, Obst - alles was das Herz bzw. der Magen begehrt ist möglich. Dazu natürlich etliche Exoten, wie 3 m langer Amazonasfisch oder die schon erwähnte Acai-Speise. Sie mögen es hier sowieso recht süß.

Ich hoffe, Euren Wissensdurst für's Erste gestillt zu haben. Weitere Fragen sind natürlich willkommen, können aber nicht sofort beantwortet werden, weil jetzt chillen angesagt ist.
Das eine oder andere fällt mir bestimmt noch ein - das wird dann nachgereicht.

Bisdenn JM

Straßenbahn in Rio

2 Kommentare:

  1. Hallo mein Bester,

    auch wenn du versucht hast Dich am Ende der Welt zu verstecken und im Urwald unterzutauchen es hilft nichts - du bist 50 geworden und wir gratulieren recht herzlich. Schau mal in Dein Postfach da liegen Gratulanten drin.

    Einen schönen und erlebnisreichen Tag wünschen Ulrike und Holly

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  2. Hallo Jörg,
    auch ich, also Alex, wünscht dir alles gute zum Geburtstag:) und viel Spaß in Südamerika.

    lg alex

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