Donnerstag, 28. Oktober 2010

Königlich

Herr France hielt Wort mit seinen 24 Stunden, konnte jedoch leider nicht selbst kommen und übergab uns in die Obhut seiner erlauchten Tochter, der Koninklijke Luchtvaart Maatschappij (KLM „Königliche Luftfahrtgesellschaft“ des WM-Zweiten). Die wartete dann auch artig in Sao Paulo in Gestalt einer Boeing 777 auf uns. Herr France hatte sich ja beim Hinflug nach Rio in einem Jumbo-Jet materialisiert, was angenehm war, da wir wie im BVG-Bus oben sitzen durften (Upper Deck sagt man). Da hatten wir schön Platz.

In Sao Paulo hieß es dann auch Abschied nehmen von unserer Hausmarke TAM (Táxi Aéreo Marília), der größten brasilianischen Airline, die uns gut und sicher durch die tropischen Lüfte beförderte. (Nach 10.000 km konnten wir schon die Werbespots mitsingen und die verabreichten Snacks im voraus anhand des Flugzeugtyps erraten ...)

Gute zwei Stunden Aufenthalt in Sao Paulo lassen Zeit für ausgedehnte Spaziergänge durch den Duty Free Shop. Dachten wir jedenfalls und hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der erschien in Person der eingeborenen Zöllner und Luftsicherheitsbevollmächtigten. Da waren sie wieder, die gefühlten tausend Mitbewerber auf einen Sitzplatz in der großen Stahlröhre, ordnungsgemäß angetreten in Reihe zu einem oder zwei Gliedern hintereinander. Wir nahmen Haltung an und stellten uns hinten an. Warten. Meter für Meter vorrücken, der rettenden Tür entgegen. Doch dann, als diese schon zum Greifen nah schien, kam Maria Mendoza. Nein! Sie erschien, wie einst der Rache-Engel - stand einfach da, massiv und wuchtig wie der Fels in der Brandung. Höchstselbst und in Uniform überwachte Maria Mendoza ihre Tür, bewaffnet mit einem Handscanner und ausgestattet mit der Lizenz zum Öffnen des Absperrbands. Und es kam wie es kommen musste: Commandante Mendoza ließ uns wegtreten. "You need a stamp." Wat??? 'Ne Briefmarke??? "Yes, you need a stamp. - Hurry!" --- Band auf - raus aus der Schlange - kurzer Prozess - fertig! Da standen wir wieder. Einsam und verlassen. Grinsende Gesichter in der Schlange, Mister Bean läßt grüßen, schadenfroh das Ticket schwenkend. Wir brauchten eine Briefmarke. Stecknadel im Heuhaufen. Ziellos umherirrend strandeten wir am KLM-Schalter. "Na klar, Sie brauchen 'ne Marke!", sagte die Dame - Alles klar. Logisch. Marke eben. Wir bekamen sogar komplett neue Billets, mit Marke hinten drauf. Und die war Gold wert. Das erkannte auch Maria und ließ uns gnädiger Weise vor und auch passieren, mit einem Nicken, das soviel hieß wie "Na geht doch!". Noch eine Stunde - geschafft. Dachten wir vor der Tür. Denkste! War ja auch klar. Irgendwo mussten die Menschenmassen aus der Schlange ja hin, und zwar in die Schlange hinter der Tür: Sicherheitskontrolle, gleiches Spiel: warten! In der Ferne leuchtet der Duty Free ...

Aber irgendwann war auch das geschafft. Allerdings mussten wir hier wieder unser Wasser abgeben - ach ja, stimmt ja: Wir verlassen ja jetzt die weite Welt und kehren zurück in die Geborgenheit der EU, wo endlich wieder alles seine Ordnung hat. Die Schlamperei mit dem Trinkwasser in Flugzeugen hört jetzt auf: 100 ml Flasche im Zip-Beutel sind erlaubt - das hat uns gefehlt. Pulle in die Tonne - fertig. Halbe Stunde noch - jetzt Duty Free. --- Mooooment. Nächste Tür! Passkontrolle! Na eben, da war doch noch was. Und wie in jedem Land, so sind auch hier die Kontrolleure die ohne Zweifel wichtigsten Amtspersonen des gesamten Flugplatzes, ach was, des ganzen Landes. Und sie machen ihre Arbeit richtig gut und gewissenhaft. Und wehe, Du hast Dein Zollformular von der Einreise verbummelt, dann bist Du aber sofort wieder am Ende der ersten Schlange - bup bup - zackzack. Kein Erbarmen. Kein Entrinnen.

Aber die hatten wir ja - puh. Glück gehabt! Viertel Stunde noch. Nun aber hurry hurry und schnell den Shop plündern. Eine Kasse hat auf. Immerhin. Wir schafften es trotzdem, als letzte in das Fluggerät einzusteigen, mit Rennen zwar, aber immerhin. Sitzplatz gut, Essen gut, Captain kompetent, Unterhaltungsprogramm gut - Ihre Durchlaucht KLM zeigte sich von der besten Seite. 11 Stunden bis Amsterdam. Schiphol heißt der Landeplatz dort, man sagt wohl Skifool (gut, dass man es nicht so schreibt). Wieder über zwei Stunden Zeit, wieder keine Zeit, weil: Es muss der flächenmäßig größte Flugzeugbahnhof der Welt sein. Junge, wat sind wir gelaufen. Eine Stunde Flug bis Berlin mit ihrer Majestät wertvollstem Stück, einer Focker 100 (die Zahl muss sich irgendwie auf's Alter beziehen). Jetzt bin ich also fast einmal um den Erdball gedüst, um jetzt, kurz vorm Ziel in dieser alten Kiste ...

Nein. Soweit kam's bekannter Weise nicht. Auch die letzte Passage war angenehm und entspannt. Und nach geschlagenen 24 Stunden hörten wir endlich wieder das vertraut liebliche Tröten der Gepäckbandsirene in Tegel, das es so nirgendwo auf der Welt gibt. Wir waren wieder zu Hause. Vorbei die beklemmende Weiträumigkeit und abstoßende Großzügigkeit anderer Landeplätze. Hier in der gemütlichen Enge, der provinziellen Schlichtheit fühlen wir uns wohl, hier kennen wir uns aus. Keine Maria Mendoza, keine langen Wege, keine Briefmarken, dafür anheimelndes lebhaftes Gedränge, die einzigartige Vielschichtigkeit der wohligen Gerüche um einen herum und keine nervenden Durchsagen oder Anzeigen, für welchen Flug das Gepäck gerade kommt. Auch das hat uns gefehlt. Hoffentlich bleibt uns dieser Flughafen ('n bisschen übertrieben) noch lange erhalten. Man verfällt hier auch nicht in Streitereien ob der Art der Passage nach Hause. Lediglich ein kurzer Wortwechsel über den Unsinn, es mit dem Bus versuchen zu wollen treibt einen in die offenen Arme eines Taxi-Chauffeurs mit Migrationshintergrund. Die Konversation klappte gut. Kurze Nachfrage: Landesberger Allee? Bei Bahnoof? - Jau!  ---  buppbuppzackzack waren wir auch schon zu Hause.
Geschafft. Der Traum ist wahr geworden. Ich war in Rio. Nun konnte ich beruhigt 50 werden. Das tat ich dann auch und hatte einen wunderbaren Geburtstag.



Fortsetzung folgt ...
Bisdenn JM!

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