(Wir sind wieder online- Am Amazonas ging nix, da wird halt noch getrommelt. Jetzt in Salvador ist wieder Zivilisation und wir reichen nach ...)
Iguassu
Es ist so unglaublich, dass es schon fast nicht mehr wahr sein kann. Ich sitze hier nachts auf unserer Terrase der TIWA-Lodge, blicke auf den See, lausche den Geräuschen des Dschungels um uns herum, akklimatisiere mich bei 28° und versuche, die Eindrücke der letzten drei Tage in Worte zu fassen. Es ist nicht ganz einfach.
Es kann nicht erst eine Woche her sein, dass wir in Tegel noch einen Piccolo schlürften. Seitdem ist soviel passiert, dass es uns vorkommt, als wären es Wochen. Brasilien. Was für ein Land, was für Dimensionen, welche Kontraste. Wo fange ich an?
Am besten mit dem UNESCO-Weltkulturerbe und aussichtsreichem Kandidaten für die Wahl der neuen Weltwunder: Die Wasserfälle von Iguacu. Vorher denkt man, naja lass mal Wasserfälle gucken. Hatten wir ja alle schon mal irgendwo. Und dann das! Götterdämmerung! Never seen before. Nicht in Worte zu fassen. Iguassu: Auf indianisch: die großen Wasser. Nicht mehr und nicht weniger. Vor allem nicht weniger als 275 Wasserfälle auf mehreren Kilometern, der spektakulärste 75 Meter tief - wie soll man das beschreiben. Gigantisch trifft es nicht mal annähernd. Unfassbar ist es alle mal und überwältigend für den Menschen. - Dieses Schauspiel nahm wie versprochen einen ganzen Tag in Anspruch. 8.30 Uhr Abfahrt vom Hotel mit Enio Pedro Baron, unserem Guide. Und wir fahren nach: ARGENTINIEN. Grenzkontrolle wie früher zweimal mit anstehen und so. Aber dann. Argentinien. Einfach so. Wir sind in Argentinien. Allein, meinen Gemütszustand diesbezüglich zu beschreiben, würde Seiten füllen. Aber das wäre es auch wert. Welcome to Argentina! stand da - die wissen, was sich gehört. Endlich. Es ist nur ein millionstel Zipfel, aber es ist Argentinien und ich bin da. Unbeschreiblich.
Genau wie das, was Argentinien zu bieten hat. Nahezu 100% von meinem Argentinien bestehen aus Wasserfällen und Dschungel. Als erstes werden wir in Letzterem von Affen begrüßt und beworfen, die eigentlich nur einmal im Monat Touristen begrüßen. Aber die wussten ja, wer kommt ...
Und dann waren da die Nasenbären: Da! Wo? na da? Na wo denn? Na da im Dschungel! Während die fotografische Fraktion zum Angriff überging, trabten zwanzig dieser wilden Tiere gemütlich hinterrücks über den Weg und waren plötzlich überall. Nasenbären eben. Fotoapparat wieder einstecken - ganz ruhig Brauner. Die wollen nur spielen und futtern. Im Hintergrund das permanente Grummeln, das lauter wurde, je weiter wir liefen,. Und plötzlich stehst Du da: Rumms. Wasserfall - riesig. Ha! Das war nur der erste, einer der kleineren, der es, allein genommen, sicherlich ins deutsche Guinness Buch geschafft hätte. Aber die Monsterfälle sollten ja noch kommen. Und das taten sie auch. Einer größer und gewaltiger als der andere. Und kein Ende abzusehen. Aber Don Pedro hatte ein Einsehen und setzte uns auf einen LKW mit Klara. Ihreszeichen Touristenführerin aus Argentinien, die für das Vorspiel verantwortlich war und ihre Sache gut machte. - Wir wurden eingelullt, mit Wissen bombardiert und unten am Fluss entlassen mit den Worten: "Enjoy the shower!" Sonst heißt es immer: "Enjoy the show!" Es war kein Versprecher. Sie sollte Recht behalten. Denn da stand schon das Boot: Feel the Falls - Eins werden mit dem großen Wasser war die Devise. Und ab ging die Luzie. Zweimal voll rein in die große Dusche, als schossen tausende Strahlrohre gleichzeitig. Später sahen wir bei anderen Opferbooten, dass sie nicht mal annähernd in das Sturzwasser kamen, sondern nur den Nebel und die Gischt berührten. So kam es uns jedenfalls nicht vor. Gott sei Dank hatten wir uns von Don Pedro so'ne komischen Regenponjos aufschwatzen lassen - so blieben wenigsten einige wenige Stellen trocken (außer bei Senór P., der hatte einen kaputten erwischt und war durch.). Was dann noch folgte, ist schnell erzählt: Kurze Fahrt mit einer Pioniereisenbahn, mit anschließender 2 km (!) Wanderung auf einem Metallsteg quer über den Rio Iguassu hin zur Teufelsschlucht. Und die machte dann ihrem Namen alle Ehre: siehe oben - es fehlen die Worte, das zu beschreiben.
Dann machte unser Pedro langsam Druck, wir sollten uns beeilen - Brasilien macht zu. - (???) - Er meinte natürlich die brasilianische Seite der Wasserfälle. Don't cry for me Argentina, sangen wir noch und waren schon wieder in Old Brazil. Dort dasselbe Schauspiel aus anderem Blickwinkel, aber nicht minder interessant. Abends dann im Hotel mal wieder platt wie 'ne Flunder noch Abendbrot und sofort Hochgeschwindigkeitsschlafen, weil um 3.30 Uhr Wecken ist. Was war das wieder für ein Tag. Einfach Wahnsinn.
Piranhas und Piraten
Von Iguassu ging es über Sao Paulo (1,5 h Flug) dann nach Manaus (5h), 300 km südlich des Äquators. Ankunft am frühen Nachmittag, Abholung wieder perfekt. 30 °C, Waschküche - gefühlte 45°, Sauna. Nach 20 Minuten stopt der Kleinbus. "Okay, hop off!" - (?????) - "We take the boat." Aha: Wir taken ein Boot. Bis zum Boot waren es aber noch 300 Meter, zunächst steil bergab und dann durch den Sandstrand. Koffer??? No Problem, sagte ein plötzlich anwesender Einheimischer und stellte sich auch sofort vor: "My Name is Washington" (mit Betonung auf 'o'). I'm from the Lodge! Zirka 60, schmächtig. Gut, dass Washington noch 2 Freunde mitgebracht hatte. Die schulterten unsere Koffer als wären es Baumwollsäcke. We take the boat. Wir taketen aber nicht nur ein Boot, sondern gleich zwei. Die uns freundlich begrüßende Lucia teilte uns mit, dass wir ein Riesenglück hätten, weil hier zur Zeit eine Jahrhundert-Trockenheit herrsche. Kolmbien schickt einfach kein Wasser mehr den Fluss hinunter - die Schneeschmelze hat gerade erst eingesetzt und es dauert noch drei Wochen bis wieder normale Pegel erreicht werde. Das fanden wir zunächst noch toll, Zeuge eines seltenen Schauspiels zu sein. Trugschluss! In der Mitte des 8 km (!) breiten Flusses stoppt das Boot. Wir steigen um! Ach was! In ein Kanu mit Motor. Koffer? No Problem, die holt Washington später nach. Aha!!! Mit dem Kanu??? Na klar, womit sonst? nochmal: Aha! Das Abenteuer Amazonas beginnt. Wieso fahren wir eigentlich nicht über eine Brücke, will ich wissen. Weil die einzige Brücke weit und breit noch im Bau ist. Aha. Also Kanu, weil der Wasserstand stellenweise nur noch 50 Zentimeter beträgt. Das Kanu war naürlich aus Holz und hatte ein Leck. No Problem - Wir schaffen es bis zur Lodge. Aha. Der Drops schien gelutscht und alle Messen gesungen, Schlappe 4 km vom Ufer entfernt in einem löchrigen Kanu auf einer dunkelbraunen Brühe voller Piranhas schwimmend suchten wir schon mal das Wasser nach den weitverbreiteten Krokodilen ab. Natürlich kreisten auch wieder Geier. Und als wäre das nicht schon genug, wurden wir von springenden Fischen (kein Quatsch) attackiert. Das glaubt uns sowie keiner, dachten wir, als tatsächlich Fische ins Boot sprangen. Hier muss das Angeln Spass machen, hätte man ein intaktes Boot. Die Fisch waren übrigens Süßwassersardinen, es gibt aber auch Delphine hier, sagt Lucia. Na hoffentlich nicht jetzt ...
Zu allem Überfluss verfolgte uns jetzt auch noch ein Gewitter. Es war schon alles egal. Komischer Weise hielt das Boot und wir kamen tatsächlich trockenen Fußes und vor dem großen Regen in der Lodge an und wurden belohnt von dieser traumhaften Anlage. Wir hatten zwar keine Koffer mehr, waren aber trotzdem glücklich. Ein paar kühle Getränke und ein Mittagessen später krönte ich Washington zum Mann des Tages. Die Koffer waren da - keine Ahnung wie er das gemacht hat - sie standen einfach da. Aber zur Freude blieb wenig Zeit, eine Exkursion stand noch auf dem Plan für heute: Piranha-Fishing und Kaiman-Watching. Abfahrt 16.30 Uhr. Daraus wurde 17.30 Uhr, weil Rotze verpennt hatte. Unsre Reisegruppe am Amazonas war auf 12 angewachsen, einer davon war Rotze. Den nannten wir so, weil der so herrlich und klangvoll selbige durch die Nase hochziehen konnte, oben wendete und geschickt und genüsslich ausspie. Es dämmerte bereits. Egal. Mit dem Kanu ab zum Großboot und los geht's mit Kaimane suchen. Mittlerweile war es schon dunkel. Man soll Kaimane in der Dunkelheit an den leuchtenden Augen erkennen, wenn man sie anstrahlt. Aha! Deshalb dieser Aufwand. na gut. Tatsächlich sahen wir dann auch einmal zwei Leuchtpunkte in 100 Meter Entfernung. Einzigartiges Schauspiel! Wenigsten haben wir auf dem Rückweg noch an einer Wassertankstelle angehalten und Bier geholt. Für die Piranhas war es auch zu spät. Die Dunkelheit hätte uns überrascht. Ach! Das ganze Jahr über geht die Sonne hier um punkt 18.00 Uhr unter - welch Überraschung. Alles bloß, weil Rotze verpennt hatte. Es sollte aber noch besser kommen. Überglücklich ob des schönen Abends und ausgestattet mit reichlich Bier ging die Fahrt munter zurück. Beleuchtung an den Wasserfahrzeugen scheint nicht vorgeschrieben, als hat auch keiner die Lampe an. In völliger Dunkelheit jagte unser Schnellboot dahin. Ständig huschten andere Boote vorbei, Kaimane dafür keine mehr. Rätselhafter Weise fand der Captain ohne Lampe und Unfall zurück zum Umsteigepunkt in der Mitte des Flusses. Aber da war kein Kanu mehr - dafür völlige Dunkelheit. Nichts passierte, weiter ging es nicht, zurück wäre Quatsch. Wir lagen auf Reede. Wenigstens hatten wir Bier. So ging die Zeit ins Land, resp. den Fluss. Wir nutzten sie, um uns mit unsreren mitreisenden Piranha-Anglern aus Sachsen anzufreunden, quasi Angel-Sachsen. Irgendwann: Motorengeräusch. Das Kanu kam. Rotze, dem wir den ganzen Schlamassel zu verdanken hatten, geht mit seiner Gruppe natürlich als erster. Das Kanu muss zweimal fahren und braucht 30 Minuten für eine Strecke. Wir passen nicht mehr drauf, haben aber noch Bier. Exakt nach einer Stunde völliger Dunkelheit kam das Kanu. Also gleich geschafft. Denkste. Unverhofft kommt oft. Aus. Der Motor stottert und geht aus. Sprit alle, denken alle im Chor. Glück gehabt. Motor geht wieder an. Plötzlich laufen wir auf Grund. Aber auch jetzt kriegt unser Chauffeur den Kahn wieder flott. Und dann kracht's. Entsetzen. Totenstille. Finsternis. In der Ferne krächzt ein Papagai. Der Dolmetscher räuspert sich verdächtig lange und lässt die Katze aus dem Sack: Die Schraube hats erwischt. Aus. Das Spiel ist aus. In einem solchen Moment gehen einem seltsame Dinge durch den Kopf. Wirst du dem Kaiman entkommen, um am Ende von Piranhas gefressen zu werden. Oder: Jetzt fehlen nur noch Piraten. Gleich nach dem Gedanken tauchten die Gestalten in der Dunkelheit auf. Eine Lampe am Ufer ging an. Die Schemen bewegten sich. Die Spannung steigt. Keiner sagt ein Wort - und dann: Der Motor springt wieder an. Wir bewegen uns wieder. Beifall und Jubel wie nach der Landung in Malle brandeten auf, es gab wieder Hoffnung. Irgendwann gegen 22.00 Uhr waren wir zurück. "Morgen machen wir dann die Exkursion in den Dschungel und zum Rendevouz der Wasser - Wir fahren mit dem Boot." Na toll. Den Rest des Abends und den nächsten Morgen genossen wir die Lodge. Einfach traumhaft, direkt am Fluss gelegen. Um einen Teich herum reihen sich Bungalows, die im Wasser stehen. Dahinter die grüne Wand des Dschungels. Dazu der unglaubliche Sound - klingt wie im Tropenhaus im Tierpark. Dort gibt's auch den Papagai, der hier ständig rumflattert. Am morgen dann Kaimane, kleine Krokodile also, in unsn Teich. Die lassen sich sogar füttern. Und wir fahren stundenlang ... Egal! Die Exkursion verzögerte sich natürlich. Wir hatten Zeit zum genießen. Der Pegel ist weiter gefallen, Bootfahren geht gar nicht mehr - was nun. Gegen Mittag geht's dann los. Auf dem Landweg soll es klappen. Gefühlte 50° im Schatten. Kurze Wanderung bergauf durch den Dschungel. Waldweg erreicht. Nichts. Warten, schwitzen. Dann kommen vier Taxis und die Exkursion beginnt. Und die wurde dann wirklich toll. Wir bestiegen irgendwann doch noch ein Boot und fuhren flußabwärts, vorbei an Manaus zum Treffen der Wasser, wo der helle Sollimoes in den dunklen Rio Negro mündet und beide kilometerweit nebeneinander fließen ohne sich zu vermischen. Ein wirklich tolles Schauspiel. Ebenso wie die Wanderung in den Dschungel. Ein rundum gelungener Nachmittag. Selbst die Rückreise klappte gut und abends tauschten wir etliche Erfachrungen mit unseren sächsischen Freunden bei etlichen Caipirinhas aus. Hannelore und Gudrun erzählten viel, ihre Männer nicht so.
Am nächsten Tag Abschied vom Amazonas, der Tiwa-Lodge, von Washington und seinem Ara. Die Sachsen bleiben länger, folgen uns aber nach Salvador da Bahia.
Auf genau diesem Weg befinden wir uns - wir sitzen wieder im Flugzeug und fliegen 6 1/2 Stunden von Manaus nach Salvador mit Zwischenlandung in Brasilia.
Es ist Samstag, der 16.10.2010. Wieder drei tolle Tage vorbei. Erinnerungen und Fotos ohne Ende und noch immer nicht Schluß. Die Tour de Brasil geht weiter.
Bisdenn JM!
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